Göttingen: Schmuckstück am Autobahnrand
Wer die A7 nimmt, um Deutschland von Nord nach Süd zu durchqueren – oder umgekehrt – wird irgendwann die Ausfahrt Göttingen sehen. Normalerweise hat man es ja eilig, weil man einfach nur ankommen will. Aber besonders für Wohnmobil-Fahrer gilt immer häufiger das Motto: Der Weg ist das Ziel. Ihnen sei Göttingen als ein lohnender Zwischenstopp empfohlen, der zumindest einen abwechslungsreichen Tag verspricht.
Ich kannte Göttingen bisher lediglich als Schild am Autobahnrand, an dem ich unzählige Male achtlos vorbeigefahren bin. Doch im Frühjahr 2019 ergab es sich, dass ich mächtigen Hunger, aber keinen Bock auf das Fast-Food am Autobahnrand hatte. Also lenkte ich das Wohnmobil spontan von der Autobahn runter und entschloss mich, einen Zwischenstopp in der alten Universitätsstadt zu machen. Da es in der Nähe der Innenstadt schwierig war, einen Parkplatz zu finden, suchte ich im Standplatzführer nach dem örtlichen Angebot und hatte mich wenig später entschlossen, einen Tag hier zu bleiben.
Dass in Göttingen vor allem die Geisteswissenschaften zu Hause sind, merkt man spätestens, wenn man die Website der Stadt besucht, um sich grob zu orientieren. Von Klimaschutz ist da die Rede, von Integration und Nachhaltigkeit. Und es wird ein „interreligiöser Jahreskalender angeboten. Willkommen im grünroten Kernland, dachte ich mir.
Im Mittelpunkt des studentischen Lebens steht natürlich die altehrwürdige Georg-August-Universität. Deren ehemaliges Hauptgebäude kann man bequem zu Fuß erreichen, wenn man sich zu einem ausführlichen Stadtrundgang entschlossen hat. Die eigentliche Universität liegt etwas abseits und bietet neben Fakultäten für Naturwissenschaften, Mathematik und Informatik auch Sozialwissenschaften, Wirtschaftswissenschaften, Philosophie und Theologie an. Nicht zu vergessen das Göttinger Zentrum für Geschlechterforschung, von dem schon so manche seltsame Erkenntnis ausging.
Dass hier über 30.000 Studenten ihr temporäres Zuhause haben, spürt man an allen Ecken und Enden der Stadt. Man merkt es auch an den Restaurants und Kneipen, die in erster Linie deftiges Essen für hungrige Mägen anbieten. Ein Muss ist das altehrwürdige „Zum Szultenburger“ mitten in der Altstadt. Bei Tripadvisor findet man dazu Kommentare wie „Wahnsinniges Preisleistungsverhältnis“ oder „beste Schnitzel in town“. Da sich mein Hunger mittlerweile mit aller Mächtigkeit meldete, entschloss ich mich mir eine der zahlreichen Schnitzelvarianten zu gönnen. Was dann kam, war ein großer Teller mit einem noch größeren Schnitzel, das mir die Gewissheit verschaffte, hier ganz bestimmt nicht hungrig vom Tisch zu gehen. Um mich herum saßen fast nur junge Leute – Studenten eben – die sich ebenfalls über ihr XXL-Schnitzel hermachten.
Für Spätaufsteher empfiehlt sich übrigens ein Start in den Tag beim legendären täglichen Brunch im Kartoffelhaus. So steht es jedenfalls auf der Tourismus-Seite von Göttingen und ich kann die Adresse nur empfehlen. Das Kartoffelhaus befindet sich im historischen Grätzelhaus in der Goetheallee 8.
Göttingen ist eher eine Stadt zum Bummeln und entspannen, als für aufregende Entdeckungen. Sehenswürdigkeiten findet man hier erst auf den zweiten Blick. In der Jacobikirche gibt es zum Beispiel einen Doppelflügelaltar aus dem Jahre 1402 und das Rathaus hat eine üppig ausgestattete Empfangshalle aus dem 19. Jahrhundert. Als besonderes Schmuckstück wird das „Gänseliesel“ bezeichnet. Dabei handelt es sich um einen alten Brunnen direkt vor dem Rathaus mit einer Jugendstilfigur, die ihm wohl den Namen gegeben hat. Sie sei „Der Liebling aller frischgebackenen Doktoren, die nach bestandener Prüfung ihre Wange küssen“, heißt es dazu auf der Website der Stadt.
Am besten erschließt sich Göttingen dem Besucher bei einem der zahlreichen Stadtrundgänge. Der Klassiker nennt sich „Rund ums Gänseliesel“ und findet Freitags bis Sonntags statt (von November bis März nur am Samstag). Eine Reservierung ist nicht erforderlich, aber man sollte sich knapp zwei Stunden Zeit nehmen. Ich wollte die Stadt eher auf eigene Faust erkunden und lud mir die App Göttingen aufs Handy, die mich dann zielsicher zu allen Sehenswürdigkeiten der Stadt führte.
Eine weitere Führung ist dem Mathematiker und Astronomen Carl Friedrich Gauß gewidmet, der 1807 zum Professor der Astronomie ernannt wurde und während seines Wirkens bahnbrechende Arbeiten auf den Gebieten Mathematik, Astronomie, Geodäsie und Physik abgeliefert hat.
Zur Vorbereitung sollte man einen Blick auf www.goettingen-tourismus.de werfen. Dort findet man neben einem Link zur App Göttingen auch zahlreiche Empfehlungen für einen abwechslungsreichen Tag in kompakter Form.
Geradezu ein Muss für Göttingen-Bummler ist auch ein Besuch im Café Cron & Lanz. Einfach vom Rathaus aus nach rechts und die Fußgängerzone entlang. So ein klassisches Café mit Zeitungen zum Ausleihen und richtig gutem Kuchen findet man ja im Zeitalter von Starbucks & Co. nur noch selten.
Wer auf Oper und klassische Musik steht, sollte sich vorab informieren, was im Deutschen Theater von Göttingen gerade gespielt wird. Das Haus hat vier Bühnen und bietet Platz für bis zu 500 Zuschauer. Das Repertoire umfasst bekannte und bewährte Stücke, junge Dramatik, Romanbearbeitungen und auch eine musikalische Produktion pro Jahr.
Wohnmobilisten wollen natürlich wissen, wo man in Göttingen am besten steht. Die einzige Empfehlung ist hier der Reisemobilhafen Eiswiese. Er liegt am Windhausweg 60 und bietet Stromanschlüsse, sowie Frisch- und Abwasserversorgung. Von der A7, Ausfahrt Göttingen fährt man einfach in Richtung Innenstadt und folgt den Schildern zum Reisemobilplatz und Badeparadies Eiswiese oder zum Stadion. Die nächste Einkaufsmöglichkeit ist allerdings 1 km entfernt. Dafür hält ein Bus unmittelbar vor dem Platz und man ist in wenigen Minuten direkt in der Altstadt.
Wenn der Standplatz voll ist, kann man auch auf den normalen Parkplatz unmittelbar davor ausweichen. Da sind direkt neben der Straße Parkplätze speziell für Wohnmobile ausgeschildert. Strom gibt es hier zwar nicht. Aber zur Ver- und Entsorgung kann man den Wohnmobil-Hafen benutzen.
Ansonsten ist Göttingen auch ein guter Ausgangspunkt für mehrere malerische Fachwerkstädte im südlichen Niedersachsen. Ich denke hier an Einbeck, Hannoversch Münden, Northeim oder Osterode am Harz. Das wäre dann sogar eine Idee für ein erlebnisreiches Wochenende mitten in Deutschland.