Annecy: Venedig mitten in den Alpen
Wer von Genf aus die Autobahn nach Süden nimmt, ist kurz darauf mitten in den Bergen und auf dem Weg in eine Stadt, die man hier oben eigentlich nicht erwarten würde. Die Rede ist von Annecy, dem Venedig der Alpen, wie sich die Stadt gerne nennt. Wir wollten die Route Napoleon quer durch die Alpen nehmen und Annecy war unser erster Zwischenstopp.
Es war Hochsommer und in Genf hatte das Thermometer im Wohnmobil noch fast 40 Grad im Schatten angezeigt. In Annecy am gleichnamigen See waren es zwar zehn Grad weniger, aber damit immer noch angenehm war. Also fuhren wir mitten hinein ins touristische Leben und erkannten recht schnell, dass hier selbst für einen kompakten Kastenwagen wie unseren Hobby Vantana kein legler Parkplatz zu finden war.
Also gaben wir die Adresse des einzigen Wohnmobil-Stellplatzes von Annecy ins Navi ein. Aber von dort aus sollte die Altstadt in wenigen Minuten zu Fuß erreichbar sein, versprach der Standplatzführer. Sollte, denn es stellte sich heraus, dass das parkähnlich angelegte und recht verkehrsgünstig gelegene Areal bis auf die letzte Lücke belegt war.
So ist es eben, wenn man dann auf Reisen ist, wenn alle anderen auch unterwegs sind, stellten wir resigniert fest und peilten die nächste Alternative an. Der örtliche Camping Municipal trug den viel versprechenden Namen Camping Le Nelvedère und lag auf einem Hügel ein gutes Stück oberhalb der Stadt. Dort hatte man noch Platz für uns und wir parkten das Mobil in der terrassenartig angelegten Anlage, die einen recht sympathischen Eindruck machte.
Da es von hier aus keine direkte Busverbindung in die Innenstadt gab, machten wir uns zu Fuß auf den Weg runter zum See. Das war ein strammer Marsch, für den wir gut 30 Minuten veranschlagten. Aber wir konnten den Verlockungen des tiefblauen Bergsees nicht widerstehen und machten erst mal eine Badepause.
Annecy selbst war eine echte Überraschung. Der direkt am See gelegene Teil der Stadt wird von zahlreichen Kanälen durchzogen und strahlt ein geradezu mediterranes Flair aus. Es war viel los, aber es schien eine besonders entspannte Art von Urlaubern zu sein, die sich für diesen außergewöhnlichen Ort zwischen dem See und den Bergen entschieden hatten.
Wer lediglich für einen Zwischenstopp nach Annecy kommt, dem wird ein nachmittäglicher Stadtbummel genügen. Die hübsche Altstadt wirkt sehr gepflegt und lädt zu einem gemütlichen Bummel ein. Wer die Kamera dabei hat, kann hier unzählige malerische Ecken finden, die ein stimmungsvolles Bild wert sind. Wer will, kann auch einen der Ausflugsdampfer nehmen, die alle paar Minuten den kleinen Hafen verlassen, und eine aussichtsreiche Runde über den See drehen.
Wir hatten allmählich Hunger, aber wer die Franzosen kennt, der weiß auch, dass man hier nicht einfach zu jeder Zeit essen kann, sondern sich nach den örtlichen Gepflogenheiten richten muss. Um sechs Uhr hätten wir höchstens Crepes oder irgendwelches Fast Food bekommen können. An ein richtiges französisches Menü war hingegen um diese Zeit nicht zu denken. Die Restaurants hatten zwar alle schon eingedeckt, aber die Tische waren leer und signalisierten unmissverständlich: ihr seid zu früh dran. Vor sieben darf man eben in Frankreich an Essen noch nicht einmal denken. Einige Restaurants machten sogar erst um acht auf.
Bis dahin wären wir vermutlich verhungert. Also entschieden wir uns für das Le Chalet am Quai de l'Évêché. Das Restaurant machte einen recht guten Eindruck und der gutgelaunte Kellner bot uns bereits vor der offiziellen Küchenzeit schon einen Tisch und einen ersten Aperitif an. Hier sitzt man direkt an einem der Kanäle mit Blick auf die umgebenden Häuser, denen man ansieht, dass sie schon seit hunderten von Jahren hier stehen. Das Essen war wirklich hervorragend, was für einen Touristenort selbst in Frankreich ja nicht unbedingt selbstverständlich ist.
Wo es richtig sommerlich warm ist, ist das nächste Gewitter meist nicht weit und hier oben in den Bergen können Gewitter manchmal richtig heftig ausfallen. Schon auf dem Weg zurück zum Campingplatz spürten wir, dass das Wett umschlagen würde. Also beeilten wir uns und standen bereits unter der Dusche, als die ersten Blitze den Himmel erhellten und der Wind spürbar aufgefrischt hatte.
Danach ging alles ganz schnell. Der anfangs leichte Regen wurde von einer Minute zur nächsten zu einem gewaltigen Wolkenbruch, während die Donner mit beängstigender Lautstärke von den Bergen widerhallten und die Blitze in unmittelbarer Nähe einschlugen. Das Schlimmste war aber, dass sich der Regen plötzlich in Hagel verwandelte und wir echte Angstgefühle bekamen.
Es klingt richtig beeindruckend, wenn Hagelkörner im Format von Walnüssen auf das Blechdach eines Wohnmobils prasseln. Irgendwie erwartet man ständig, dass so ein „Stein“ das Dachfenster durchschlägt und mitten im Bett landet. Aber trotz aller Dramatik geschah nichts derartiges und am nächsten Morgen zeigte es sich, dass nicht eine einzige Beule im Dach zu sehen war. Hagelkörner können zwar hart wie Stein sein. Sie müssen es aber nicht. Ich bin mir aber nicht sicher, ob Caravans und Wohnmobile mit Aludach genauso widerstandsfähig sind.