Studie: Caravans und Wohnmobile gefragt wie nie zuvor

Der Wohnmobil-Markt zeigt zwar schon seit Jahren eine positive Entwicklung. Die Folgen von Corona haben der Entwicklung jedoch einen ganz gewaltigen Boost gegeben. Noch nie wurden so viele Fahrzeuge verkauft, wie 2020. Eine Studie fasst das in konkrete Zahlen und verweist auf Chancen und Risiken.

Die Masterstudie Caravans und Wohnmobile wurde in Kooperation zwischen der puls Marktforschung, der gsr Unternehmensberatung, AUTO BILD Reisemobil und anderen Partnern vorgenommen. Es ist ein Zahlenwerk, das nur positive Ergebnisse liefert. Eine Situation, die angesichts einer insgesamt eher problematischen Wirtschaftslage durchaus bemerkenswert ist. 

Der Markt

Einen Überblick vermittelt schon mal die Marktentwicklung auf dem Markt der Freizeitfahrzeuge. So gab es zum Beispiel 2010 einen Bestand von rund 323.000 Wohnmobilen und 558.000 Wohnwagen in Deutschland. Mit 675.000 Wohnmobilen liegen die Werte für 2020 fast doppelt so hoch. Die Anzahl der Wohnwagen ist um rund 50% auf 723.000 gestiegen. Allein 2020 sind 76.000 Wohnmobile neu hinzugekommen. 2010 Lag die Zahl der Neuzulassungen noch bei 18.000. 

Wer selbst mit Wohnmobil oder Caravan Urlaub macht, den werden diese Zahlen nicht überraschen. Noch nie waren die Stellplätze so voll wie im letzten Sommer (2021). An manchen touristischen Brennpunkten ging zeitweise gar nichts mehr und die Wohnmobile parkten jeden Quadratmeter zu, den sie finden konnten. Caravan-Urlauber waren ähnlich übel dran. Die Corona-bedingte Konzentration auf deutsche Campingplätze führte dazu, dass meist nur noch der eine Chance hatte, der schon Anfang des Jahres seinen Sommerurlaub fest gebucht hatte. Spontanurlaub war damit Glückssache und viele Urlauber wichen auf weniger gefragte Orte aus und landeten nicht selten in einer Urlaubsregion, die sie eigentlich nie auf dem Schirm gehabt hatten. 

Die Infrastruktur

Auch dazu gibt es Zahlen: 2017 gab es in Deutschland 26,8 Millionen Übernachtungen auf Campingplätzen. 2020 lag die Zahl bei 31,8 Millionen. Das ist ein Zuwachs von 2 %, war ja eigentlich alles andere als dramatisch klingt. Vor allem, wenn man weiß, dass gleichzeitig die Zahl ausländischer Urlauber um 54 % eingebrochen ist. Doch diese Zahlen beziehen sich auf das ganze Jahr. In der Sommersaison sah es, wie gesagt, völlig anders aus. Außerdem muss man berücksichtigen, dass während eines Großteils von 2020 in Deutschland starke Reisebeschränkungen herrschten, was das Bild zusätzlich verzerrt hat.

Interessant ist ein Blick auf die Zahl der Stellflächen. Im Vergleich zwischen 2019 und 2020 wurden in Deutschland ganze 6 neue Campingplätze gebaut. Die Gesamtzahl der Stellflächen hat sich im gleichen Zeitraum jedoch von 231.000 auf 229.000 reduziert (-2.800). Die schon seit Jahren ansteigende Zahl an Freizeitfahrzeugen wird als von den Ländern und Gemeinden weitgehend ignoriert. Dort stockt man offenbar lieber die Mitarbeiterzahl des Ordnungsamtes auf, anstatt Lösungen für ein absehbares Problem zu entwickeln. Dazu kommt, dass auf immer mehr Parkplätzen eine Übernachtung im Wohnmobil verboten wird oder die Plätze für Wohnmobile grundsätzlich gesperrt werden. 

Vorausschauen des Agieren zählte eben in Deutschland noch nie zu den Tugenden der öffentlichen Verwaltung. Statt dessen denkt man sich gerne neue Maßnahmen aus, um aus einem offensichtlichen Problem Kapital für die Gemeinden zu schlagen. 

Die Gegner

Einen kleinen Hinweis dazu liefert vielleicht ein weiterer Punkt der angeführten Studie: 31 % der deutschen Bevölkerung gilt als Caravaning-affin. Ein knappes Drittes aller Menschen im Land stehen also dieser Urlaubsform positiv gegenüber. Was den Umkehrschluss zulässt, dass die Mehrheit mit Camping nichts am Hut hat oder diese Art der Freizeitgestaltung sogar verurteilt. Man darf eben nicht die zunehmend grünlastige Denke im Land vergessen. Wer in jedem Automobil einen Klimakiller sieht, wird eben auch jeder Form des Individualurlaubs kritisch gegenüberstehen. Wer jede Wiese für ein schützenswertes Stück Natur hält, wird auch jeden Bauantrag für einen Campingplatz torpedieren und wenn irgendein seltener Lurch dafür herhalten muss. 

Dass das dieselben Leute sind, die nichts dagegen haben, dass das ganze Land mit Windrädern zugebaut wird, gehört zwar nicht zum Thema, sollte aber hier durchaus erwähnt werden. Eine Handvoll Windräder mitten im Wald brauchen zwar samt Zufahrtswegen weit mehr Platz als ein Campingplatz, sind aber ansonsten nichts als zerstörte Natur. Und das für eine Energiemenge, die nicht einmal für eine Kleinstadt ausreicht. 

Die Camper
Der typische Wohnmobil- oder Caravan-Interessent ist um die 40 Jahre alt und männlich. Er ist überdurchschnittlich gebildet und zählt zu den Besserverdienern. Wie gesagt, das ist der Durchswchnitt und der kann vom Einzelfall durchaus abweichen. 2020 lag das Durchschnittsalter noch bei 44 Jahren. Camping scheint also immer mehr jüngere Leute anzusprechen. Für 2020 wird auch angegeben, dass so ein Camper in einem Haushalt mit mindestens 3 Personen lebt. Es handelt sich also vor allem um Familien. Der durchschnittliche Interessent von 2021 hingegen ist nicht nur jünger. Er lebt meist auch in einer Zweierbeziehung ohne Kinder. 

Die vielen neuen Wohnmobile, die seit der Pandemie die Straßen bevölkern, wurden also vor allem von besser verdienenden Paaren gekauft. Jahrelang hatte Camping ja eher einen biederen Charakter und galt alles andere als chic. Damals lag der Altersdurchschnitt der Käufer weit über 50. Jetzt ist so ein Wohnmobil plötzlich irgendwie chic. Daher entscheiden sich immer mehr junge Paare für diese Urlaubsart und kaufen sich einen Camper statt ein Cabrio. Gleichzeitig haben zunehmend auch ältere Paare im Rentenalter die Urlaubsfreiheit entdeckt und investieren ihr Geld in ein rollendes Wohnzimmer, das ruhig etwas kosten darf. 

Wer schon länger auf Camping steht und schon viele Jahre seinen Urlaub im Caravan oder Wohnmobil verbracht hat, kennt sie, die neue Generation der Camper. Sie grüßen nicht, beschweren sich die alten Hasen. Sie suchen keinen Kontakt. Sie helfen sich nicht mehr gegenseitig. Sie scheinen nicht mehr dieses Wirgefühl zu haben, das man früher kannte. Und sie sind statusbewusst und schauen gerne von ihrem dreiachsigen Carthago auf die kleinen Fiats Ducatos und Familienwohnwagen herab, die um sie herum stehen. 

Auch auf dem Campingplatz treffen eben mittlerweile die unterschiedlichsten sozialen Schichten aufeinander und die vertragen sich nun mal nur selten. Dazu kommt, dass auch das Miteinander unter den Menschen eine spürbare Veränderung erlebt hat. Aus der ausgeprägten Wir-Gesellschaft der Nachkriegszeit ist eben mittlerweile die Ich-Gesellschaft der Überflussgesellschaft geworden und auch deren Vertreter sitzen im Wohnmobil. 

Die Situation

Auch den Herstellern von Freizeitfahrzeugen stehen Veränderungen ins Haus. Ein wachsender Markt verlangt größere Produktionskapazitäten, denn nicht jeder Käufer ist gewillt. monatelang auf sein Fahrzeug zu waren. Auch neue Antriebstechnologien sind ein Thema, auch wenn das vollelektrische Wohnmobil wohl noch lange Zeit eine Illusion bleiben wird. Außerdem gilt es heute, unterschiedliche Kundensegmente zu bedienen - vom alltagstauglichen Camper über den Kastenwagen und den Teilintegrierten bis zum Vollintegrierten. 

Gefragt ist auch die Politik und hier vor allem die Verantwortlichen für Touristik. Wenn sich das Urlaubsverhalten verändert, muss sich eben auch das Angebot verändern. Wenn immer mehr Menschen lieber im eigenen Wohnmobil oder Caravan Urlaub machen, anstatt ein Hotel oder eine Ferienwohnung zu buchen, besteht die Zukunft eben nicht aus Immobilien, sondern aus attraktiven Stellplätzen und komfortablen Campingplätzen. Vor allem gilt es, die Infrastruktur zur Ver- und Entsorgung weiter auszubauen. Das ist nämlich die einzige Möglichkeit, um zu vermeiden, dass frustrierte Wohnmobilfahrer ihr Abwasser einfach in die Landschaft fließen lassen. 

Auch die Digitalisierung ist ein Thema für die Branche. Einen Camping- oder Stellplatz sollte man heute ganz einfach per App buchen können, anstatt umständlich anrufen oder eine eMail schicken zu müssen.