Bretagne: Wo Frankreich in den Atlantik taucht
Irgendwie sieht es hier nicht nach Frankreich aus. Die grauen Natursteinhäuser mit ihren Schornsteinen an beiden Giebelseiten könnten genauso gut auch in Irland stehen. Oder in England. Und das Dudelsack-Festival in Quimper erinnert irgendwie an Schottland. Die Rede ist von der Bretagne, der Heimat von Asterix und Obelix. Eindrücke einer Wohnmobil-Reise im Sommer 2018.
Bretagne klingt nicht zufällig wie Britannien. Hier trifft man auf ein Frankreich, das irgendwie so gar nicht frankophil sein will. Statt Wein trinkt man hier Cidre und statt Cognac brennt man seit ein paar Jahren einen Single Malt, der sich durchaus sehen lassen kann. Aber der Reihe nach:
Am Morgen zum Mont Saint-Michel
Eine Bretagne-Reise beginnt natürlich mit dem Mont Saint-Michel, der berühmte Felseninsel mit ihrer Abtei, die weithin sichtbar ist. Wobei die Insel streng genommen nicht zur Bretagne zählt, sondern ein Teil der Normandie ist, aber das lassen wir jetzt einfach mal beiseite. Die Besichtigung ist perfekt organisiert und startet bereits gut 4 Kilometer von der Insel entfernt auf einem großen Parkplatz. Dort ist auch das Wohnmobil gut aufgehoben. Zumindest hatten sich am frühen Nachmittag bereits gut 100 Mobile eingefunden. Wir hatten uns allerdings den Campingplatz direkt an der Küste ausgesucht.
Die Zufhart zum Campingplatz ist nicht ganz ohne. Er liegt nämlich in einer Art Sperrzone, die für den allgemeinen Verkehr nbicht zugänglich ist. Eine Schranke am Ende des großen Parkplatzes verhindert, dass dort irgend jemand reinfahren kann, der nicht irgend eine Berechtigung dafür hat. Wir wurden gebeten, den Campingplatz anzurufen und uns dort einen Code geben zu lassen. Mit dem würde sich dann die Schranke öffnen. Für diesen Vorgang sollte man etwas Französisch oder zumindest Englisch können. Und man sollte die Telefonnummer des Campingplatzes parat haben. Die kleine Mühe lohnt sich allerdings, denn einen besseren Ausgangspunkt zum Besuch des Mont Saint-Michel gibt es schlicht und einfach nicht. Von da aus kann man die Insel über den neu angelegten Damm recht bequem zu Fuß erreichen. Mit dem Fahrrad dauert es keine 10 Minuten.
Wenn man Glück hat, kann man hier am Abend einen herrlichen Sonnenuntergang mit der Silhouette des berühmten Felsens erleben. Ich war froh, mein Stativ mitgenommen zu haben und konnte mich am ende gar nicht entscheiden, welche Aufnahme nun die beste ist. Ein Besuch des mittelalterlichen Ortes mit seinen engen, verwinkelten Gassen und Treppen empfiehlt sich allerdings besonders in der Hochsaison eher am frühen Vormittag. Später ist es einfach zu voll.
Die felsige Nordküste
Der nächste Stopp war Dinard. Direkt vom Campingplatz aus kann man eine kleine Wanderung entlang der Felsenküste bis zu den legendären Hotels des alten Badeortes machen. Von der Pointe du Moulinet aus hat man einen schönen Blick auf die alten Stadtmauern von Staint-Malo.
Eine völlig andere Küste erlebt man am Cap Fréhel ein paar Kilometer weiter westlich. Der dortige Camping Municipal ist geradezu ein Geheimtipp. Er liegt direkt an der D34 nördlich von Pléhérel-Plage inmitten einer naturbelassenen Dünenlandschaft. Auch der breite Sandstrand ist einmalig. Die restlichen Kilometer zum Cap legt man am einfachsten mit dem Fahrrad zurück. Das sollte man auf eine Bretagne-Tour ohnehin dabei haben. Auf dem hohen Felsen angekommen reicht der Blick weit über das tiefblaue Meer. Es gibt hier an der Côte d‘Emeraude noch zahlreiche weitere großartige Strände. Aber unser Reiseplan war recht voll und so fuhren wir schon nach zwei Nächten an diesem schönen Ort weiter.
Perros-Guirec ist das absolute Muss hier an der Nordküste der Bretagne. Von hier aus führt der Sentier des douaniers, also der alte Zöllner-Weg, zu den roséfarbenen Gesteinsformationen, bei denen man den Eindruck hat, sie wären von einem begnadeten Bildhauer direkt in die Landschaft versetzt worden. Der Weg beginnt westlich vom Plage de Trestraou und führt entlang der felsigen Küste mit sieben vorgelagerten Inseln bis nach Ploumanac‘h. Direkt am Plage Saint-Guirec gibt es das gleichnamige Hotel, das wir wärmstens empfehlen können.
Perros-Guirec ist ein lebhafter und recht enger Badeort, eingebettet in eine kleine Bucht, von der aus man die berühmten Sept Iles besuchen kann. Die sieben Inseln stehen unter Naturschutz und können nur von Ausflugsbooten aus besichtigt werden, die direkt am kleinen Hafen von Perros-Guirec ablegen. Wer es sich als Wohnmobil-Fahrer in den Kopf gesetzt hat, hier frei zu stehen, sollte es besser gleich aufgeben. Die wirtklich schönen Plätze sind für Reisemobile nicht zugänglich oder stehen im Blickfeld der Polizei, die recht großzügige Preisvorstellungen hat, was eine illegale Übernachtung angeht. Aber es gibt einen wunderschönen Campingplatz namens Camping du Domaine de Trestraou, den man sich an diesem wunderschönen Ort durchaus gönnen sollte. Er ist nur wenige Schritte vom malerischen Plage de Trestraou entfernt. Auch der Wanderweg zu den rosa Granitfelsen beginnt nur wenige Schritte neben dem Campingplatz.
Treguir: Ganz typisch bretonisch
Treguir ist einer dieser kleinen Orte, die man gerne übersieht, wenn man man die bretonische Landschaft fährt. Wir hatten in einem Geschäft in Perros-Guirec einen bretonischen Whiskay namens Armoric entdeckt une erfahren, dass sich die Destillerie in Lannion und damit genau auf unserem Weg befand. Das Wohnmobil war danach einige Kilo schwerer und unsere bretonische Flaschensammlung um einige Exemplare reicher. Eine gute Entscheidung, wie sich später herausstellte. Der Armoric ist zwar nicht so alt wie die großen Namen aus Schottland und Irland. Aber er kann sich durchaus sehen lassen, was schon daran zu erkennen ist, dass der Vorrat in unserem Giftschrank schon nach einem Jahr zu Ende gegangen war.
Aber zurück zu Treguir. Wir erreichten das kleine Städtchen an einem Samstagnachmittag und trafen auf einen Ort, wie er bretonischer nicht sein konnte. Die Häuser bestanden aus diesem grauen Sandstein, wie er typisch für die Region ist. Die Geschäfte waren noch nicht aus dem Mittagsschlaf erwacht und die wenigen Touristen, die sich hierher verirrt hatten, sonnten sich auf der Terrasse eines Cafés und probierten die süßen bertonischen Köstlichkeiten. Wir taten es ihnen gleich und konnten uns wie immer nicht entscheiden. Also bestellten wir einfach von allem etwas und baten um eine Türe, in der wir all die süßen Gebäckstücke mit ins Wohnmobil nehmen konnten, die als Begleitung zu einem Grand Café Noir einfach zu viel waren.
Wer in diese Gegend kommt, sollte sich für Treguir unbedingt ein, zwei Stunden Zeit nehmen, um in das eher beschauliche Leben der Bretonen einzutauchen. Und um ein paar typisch bretonische Schnappschüsse mit nach Hause zu nehmen.
Landzungen auf der Halbinsel Crozon
Wir beendete an dieser Stelle unsere Erkundung der Nordküste und fuhren erst einmal quer durchs Landesinnere bis zur Halbinsel Crozon südlich von Brest. Hier gibt es gleich drei spektakuläre Landspitzen zu erkunden, die steil aus dem Meer aufragen und von einer tosenden Brandung umgeben sind. Bei Kerguinou entdeckten wir einen hübschen Campingplatz an einer kleinen Badebucht, der eigentlich complet war. Aber für unseren kompakten Hobby Vantana fand die hilfsbereite, deutsch sprechende Besitzerin dennoch ein nettes Plätzchen. Zwei Tage sollte man hier schon haltmachen, um die Umgebung zu erkunden.
Der Fußmarsch zur Pointe des Espagnols ist vor allem in der Sommerhitze eine kleine Herausforderung. Hier stößt man auf auf zahlreiche Befestigungsanlagen aus dem Zweiten Weltkrieg, deren massive Betonkonstruktion vermutlich noch Jahrzehnte überdauern wird.
Doch Crozon hat noch viel mehr zu bieten. Neben dem Cap de Chévre bietet vor allem die Pointe de Pen-Hir einen beeindruckenden Blick über bizarre Felsformationen auf das Meer. Uns gefiel speziell diese Landspitze so gut, dass wir uns erlaubten, die Verbotsschilder einfach zu ignorieren und auf dem großen Parkplatz zu übernachten. Mittlerweile sind ja auch in Frankreich Wohnmobile überall da unerwünscht, wo man eigentlich gerne die Nacht verbringen möchte. Aber wie sich herausstellte, waren wir nicht die Einzigen, die das Risiko eingingen und so fanden wir uns am nächsten Morgen in einer Gruppe weiterer freiheitsliebender Wohnmobilisten wieder, denen es wohl genauso ergangen war wie uns.
Festival de Cornouaille
Wer im Sommer in die Bretagne kommt, sollte auf jeden Fall einen Besuch des Festival de Cornouaille in Quimper einplanen. Es findet alljährlich Anfang Juli, also mitten in der touristischen Hochsaison statt und dauert eine ganze Woche. Newben unzähligen Konzerten gibt es am letzten Wochenende einen großen Umzug, in der man keltische Musik genießen und die zahlreichen bretonischen Trachtengruppen bewundern kann. Zum Festival de Cornouaille treffen sich Musik- und Trachtengruppen aus allen Regionen der Bretagne, aber auch aus Irland und Schottland, zu einem eindrucksvollen Fest der keltischen Musik. Mehr Dudelsack-Gruppen kann man wohl nirgends an einem Ort sehen. Das Essen ist landestypisch, aber man sollte seinen Tisch im Restaurant rechtzeitig reservieren. Der Cidre fließt in Strömen und die Kinder in ihren Trachten setzen ihr schönstes Lächeln auf, wenn man sie fotografieren will.
Die Stadt ist natürlich zum Festival ausgebucht und auch einen Standplatz für das Wohnmobil oder den Wohnwagen findet man nur mit etwas Glück. Beim Camping Muicipal an der Avenue des Oiseaux zuckte man nur mit den Achseln und sagte ließ uns wissen, dass die Plätze schon seit Monaten ausgebuch seieen. Da der recht hübsch angelegte Platz nur aus einer Einbahnstraße besteht, nutzten wir die Gelegenheit für eine kleine Rundfahrt und erledigten auch gleich die Ver- und Entsorgung des Wohnmobils, um uns auf die weitere Suche zu machen. Auf unsere Frage, ob wir dafür etwas bezahlen dürfen, winkte man lässig ab. Etwas weiter bergauf befindet sich an der linken Seite die Halle des sports de Penhars. Dort gibt es auch direkt an der Straße einen kleinen Wohnmobil-Standplatz. Es ist zwar kein idyllischer Ort und irgendwelche Services gibt es hier auch nicht, aber wir hatten Glück und für unser kompaktes Mobil fand sich noch eine Ecke.
Künstlerort Pont Aven
An die Zahl der Künstler, die zumindest zeitweise in Pont Aven gelebt haben sollen, kann ich mich nicht mehr erinnern. Aber es waren vor allem Impressionisten, die sich hier offensichtlich sehr wohlgefühlt und zahlreiche Bilder gemalt hatten. Einen Teil davon kann man im örtlichen Museum bestaunen, das man auf jeden Fall besuchen sollte. Ansonsten lohnt sich natürlich ein ausgiebiger Bummel durch die urige Stadt, in der es vermutlich mehr Bildergalerien gibt als irgendwo anders in Frankreich.
Wer ein gichtig gutes bretonisches Dinner genießen will: Das Le Pont direkt neben der Brücke im Zentrum ist unser Geheimtip. Unser Wohnmobil hatten wir übrigens auf dem Parkplatz an der Rue des Abbès Tanguy abgestellt. Wir hatten zwar keine Ahnung, ob wir dem Gebührenautomaten das richtige Ticket entlockt hatten, aber da es weder eine Schranke noch einen Gendarmen gab, war das auch nicht weiter schlimm.
Der Hinkelsteine von Carnac
Aber wir wollten weiter. Zur Halbinsel Quiberon und vor allem nach Carnac, wo man die größten und eindrucksvollen prähistorischen Stein-Reihen der Bretagne sehen kann. Wer Asterix und Obelix kennt – ja, das kleine gallische Dorf liegt in der Bretagne – der weiß auch was ein Menhir ist. Rund um Carnac gibt es gleich mehrere Felder mit schnurgeraden Reihen spitzer Steine, deren Bedeutungen niemand wirklich kennt. Es gibt ein sehenswertes Informationszentrum und man kann eine kleine Rundfahrt machen.
Für uns war Carnac der Schlusspunkt unserer Reise durch die Bretagne. Ganz nach dem Motto, der Weg ist das Ziel, machten wir uns in mehreren Etappen auf den Weg nach Hause und nutzten die Gelegenheit, in der einen oder anderen französischen Stadt anzuhalten, die man sonst meist nur als Schild am Autobahnrand wahrnimmt.