Spreewald: Leben am Fließ

Die Spree ist ein Fluss, von dem die meisten nicht viel mehr wissen, als dass er durch Berlin fließt. Doch es ist ein sehr langsamer Fluss. Besonders im Spreewald, eine Autostunde südöstlich von Berlin. Hier zerfasert sich die Spree über eine Strecke von rund 70 km in unzählige Seitenarme fließt durch eine Landschaft, die unendliche Ruhe und Gelassenheit vermittelt.

Leben mit Kahn und Rudel

Die Menschen haben sich offensichtlich an das langsam fließende Gewässer gewöhnt und irgendwie seine Gemächlichkeit angenommen. Auf jeden Fall spürt man sofort, dass hier die Uhren langsamer ticken. Was vielleicht auch darauf zurückzuführen ist, dass die schönsten der kleinen Dörfer nur auf dem Wasserweg zu erreichen sind. Mit einem flachen Kahn, der ausschließlich mit einer Stange, dem sogenannten Rudel, voran geschoben wird. Das braucht natürlich seine Zeit, aber genau die scheint man hier zu haben. Oder man nimmt sie sich einfach.

Wobei hier mangels Straßen alles im Kähnen transportiert wird, was man eben transportieren muss: Lebensmittel, Baumaterialien, die Post, den unvermeidlichen Müll und natürlich die Besucher, die vor allem im Sommer oder an sonnigen Wochenenden in Scharen auftauchen.

Wer mit Wohnwagen oder Wohnmobil reist und einfach nur ein paar Tage in eine andere Welt abtauchen will, ist hier im Spreewald genau richtig. Und er sollte sich so eine gemütliche Kahnfahrt nicht entgehen lassen. Die Alternative dazu ist, ein Kanu oder Kajak zu mieten und das 970 km lange Netz an Spree-Seitenarmen und Kanälen auf eigene Faust zu entdecken. Der überwiegende Teil des Spreewalds ist ein Biosphärenreservat. Das heißt, hier darf die Natur, was ihr anderswo meist verwehrt wird. Was den schönen Nebeneffekt hat, dass man sich in einer ursprünglichen, unberührten Naturlandschaft bewegt und irgendwie kaum glauben kann, dass die nächste Autobahn nur wenige Minuten entfernt ist.

Kurzreiseziel mit Entspannungsgarantie

Der Spreewald ist sicher kein Urlaubsziel für die großen Sommerferien – obwohl, warum nicht? Aber er ist eine hervorragende Idee für eine Kurzreise zwischendurch. Schneller kann man nirgends abschalten, um die Alltagshektik hinter sich zu lassen und die gestresste Psyche einen Gang runter zuschalten. Ganz besonders, wenn man zu den Individualisten zählt und mit Reisemobil, Camper oder Caravan unterwegs ist.

Kahn oder Paddelboot sind natürlich die interessantesten Vehikel, um in die Tiefen des Spreewalds vorzudringen. Doch auch mit dem Rad ist man gut unterwegs. Besonders wer zu den Erlebnisradlern zählt, die beim Tritt in die Pedale innere Ruhe und Entspannung finden, kann hier auf unzähligen Radwegen durch die schönste Natur fahren. Es spricht also viel dafür, das Mobil einfach stehen zu lassen und sich auf zwei Rädern fortzubewegen. Die schönsten Gegenden erreicht man mit dem Auto ohnehin nicht.

Zum Beispiel das Lagunendorf Lehde im Herzen des Spreewalds. Es setzt sich aus mehreren Inseln zusammen, die nur über kleine Holzbrücken zugänglich sind. Mein Tipp: Fragen Sie nach dem Gasthaus Oppot. Man kann es nur zu Fuß, mit dem Rad oder per Kahn erreichen und trifft hier auf die original Spreewälder Küche in hoher Qualität. Wenn man draußen sitzen kann, ist der Blick auf die vorberziehenden Kähne und Paddelboote gratis. Einen Besuch lohnt auch das urige Gasthaus Wotschofska, an dem so ziemlich alle Kahntouren halt machen. Es liegt mitten im Wald und ist ausschließlich auf dem Wasserweg zu erreichen.

Die letzten Sorben

Anfangs verwirren sie ein wenig, die zweisprachigen Hinweis- und Ortsschilder mitten in Deutschland. Wer den Grund dafür erfahren will, fährt am besten nach Cottbus. Im dortigen Wendischen Museum wird die langjährige Geschichte des slawischen Volksstammes der Sorben oder Wenden erzählt. Sie siedelten sich bereits im 6. Jahrhundert hier an und prägen noch heute das Bild der Region. Man sagt, rund 60.000 Sorben leben hier in der Lausitz und feiern alljährlich ihre traditionellen Trachtenfeste.

Mit den Sorben entstanden auch die zahlreichen Burgen rund um dem Spreewald. Es sind wehrhafte Rundwälle aus einer massiven Holzkonstruktion mit einem umlaufenden Graben. Meist ist nicht mehr viel davon übrig und man kann bestenfalls einen ringförmigen Erdwall besichtigen. Doch die Archäologen beschäftigen sich intensiv mit diesem Teil der Vergangenheit.

Das Zentrum ihrer Tätigkeit ist die Slawenburg bei Raddusch. Sie ist die originalgetreue Konstruktion einer solchen ringförmigen Befestigungsanlage, die einst genau an dieser Stelle gestanden hat. Das darin untergebrachte Museum lohnt durchaus einen Besuch. Steigt man die zahlreichen Stufen zu dem 7 Meter hohen Wall hoch, wird man mit einem grandiosen Blick auf den angrenzenden Spreewald belohnt.

Das Leben im Spreewald tausend Jahre nach Ansiedlung der ersten Sorben wird übrigens in Dissen gezeigt. Dort gibt es das kleine Museumsdorf Staty Lud, in dem man sich in eine Zeit zurückversetzen kann, in der sich das Leben der Menschen noch auf einem sehr einfachen Niveau abspielte.

Mühlen so oder so

Wenn die Menschen früher an Mühlen dachten, dann dachten sie an Konstruktionen aus Stein und Holz, mit denen entweder die Wasserkraft oder die Windenergie genutzt wurde, um Getreide zu mahlen oder gar Öl herzustellen. Einige davon kann man noch heute besichtigen. Zum Beispiel die historische Getreidemühle in Schlepzig, die zu besonderen Anlässen noch heute in Betrieb genommen wird und anschaulich vermittelt, welche Mühe es früher machte, einen Sack Mehl herzustellen.

Ähnlich beeindruckend ist die historische Holländer-Windmühle in Straupitz. Sie ist als europäisches Kulturerbe ausgezeichnet und gilt als die letzte Windmühle in Europe, die noch heute betriebsbereit ist. Hier wird hautnah demonstriert, wie aus dem Leinsamen aus dem Spreewald das für diese Region typische Leinöl gewonnen wird. Dazu gibt es ein windbetriebenes Sägewerk zu bestaunen.

Praktische Tipps

Mein Hinweis ist allerdings, sich das Reiseziel Spreewald außerhalb der Hauptsaison vorzunehmen. Wenn keine Reisebusse ganze Schaaren an Touristen in die Region bringen und alle Parkplätze mit Berlinern belegt sind, findet man auch für das Reisemobil immer einen idyllischen Stellplatz. Oder man fährt gleich das Spreewaldcamping Lübbenau an. Der Natur-Camplingplatz könnte zentraler nicht liegen. Wenn man sich ein Kajak mietet, kann man hier sogar direkt in das Netz an Wasserwegen einsteigen. Ansonsten ist es nur ein kurzer Fußweg zur nächsten Anlegestelle der Kähne, die zu einerTour durch das Wasserlabyrinth einladen.

Ein Tipp speziell für Wohnmobilisten ist auch, eine Reise in den Spreewald in Cottbus zu beginnen. Einfach „Pyramidenstraße“ ins Navi eingeben und man landet an einem großen Parkplatz direkt am Tierpark. Hier fährt auch die historische Parkeisenbahn ab, die zumindest eine kurze Ausflugsfahrt wert ist. Außerdem gibt es eine Bushaltestelle für die schnelle Tour in die Stadt ohne Zeit raubende Parkplatzsuche.

Stephan E. Wolf