Hallig Hooge: Einfach weit weg von allem
Hinter einer Reise können tausend Motive stecken. Manchmal ist es Abenteuerlust. Manchmal braucht man einen Kulissenwechsel, um auf neue Gedanken zu kommen. Oder man will sich einfach irgendwo hin zurückziehen, um eine Zeit lang seine Ruhe zu haben. Wer eine der Halligen im Nordfriesischen Wattenmeer zum Ziel erkoren hat, muss es mit dem Rückzug ganz besonders erst meinen. Denn weiter weg von allen Reizen des Alltags kann man einfach nicht fliehen.
Eine Hallig ist irgendwie eine Insel und dann doch wieder auch nicht. Sie besteht aus einem flachen Stück Land inmitten des norddeutschen Wattenmeers mit seinen ständig wechselnden Gezeiten und einem oder mehreren Hügeln, auf denen sich eine dicht gedrängte Ansammlung von Häusern befindet. Die Hügel nennt man Warften. Sie sind normalerweise mit einem Deich umgeben und sollen sicherstellen, dass die Bewohner auch bei Sturmflut vor der Nordsee geschützt sind. Dann nämlich heißt es „Land unter“ und das gesamte umgebende Flachland liegt unter Wasser.
Zur Zeit der Stürme im Herbst und Winter kann das Leben auf einer Hallig daher recht abenteuerlich sein. Kommt man jedoch im Frühjahr und Sommer, trifft man einen äußerst friedlichen Ort an, der irgendwie verschlafen wirkt und ganz weit weg von allem zu sein scheint, was wir normalerweise als selbstverständlich ansehen. Wenn man Glück hat, gibt es einen Landgasthof. Auf den größeren Halligen wie Langeneß und Hooge kümmert sich sogar ein kleiner Laden um die Versorgung der Einheimischen. Ansonsten muss alles per Schiff angeliefert werden. Oder über Schienen, die aber nur bei Ebbe befahren werden können.
Manche Halligen kann man auf einer Wattwanderung erreichen. Meist aber nur auf dem Hin- oder Rückweg, weil für beide Richtungen die Zeit nicht reicht. Denn wenn die Nordsee wieder da ist, gibt es recht heftige Strömungen und das Wasser wird schnell tiefer als im Schwimmbad. Vor einigen Jahren habe ich auf diesem Weg die Hallig Oland besucht, zu der man von Dagebüll aus in einer bequemen Wattwanderung kommt. Dort gibt es dann eine wirklich schmucke Ansammlung von Häusern zu sehen. Und ein kleines Restaurant, in dem man die Zeit bis zur Rückfahrt mit dem Boot verbringen kann.
Die Hallig Hooge ist die zweitgrößte Hallig im Schlesig-Holsteinischen Wattenmeer. Sie liegt allerdings schon zu weit draußen, dass man sie zu Fuß nicht mehr erreichen kann. Man nimmt daher am Besten die Fähre ab Schüttsiel oder eines der Ausflugsboote ab Wyk auf Föhr.
Letzteres habe ich getan, als ich über ein verlängertes Wochenende ein paar Tage auf Föhr verbracht habe. Die Fahrt nach Hooge dauert fast drei Stunden, weil das Boot zahlreiche Sandbänke umschiffen muss. Dafür ergibt sich auf dem Weg die eine oder andere Chance, einen der zahlreichen Seehunde zu entdecken, die hier ihren Lebensraum haben.
Am Ende trifft man dann auf eine Kette von Warften mit teilweise reetgedeckten Häusern, während man das flache Land drumherum erst bei Einfahrt in den Hafen wirklich wahrnimmt.
Hooge ist im Gegensatz zu den anderen Halligen von einem etwas mehr als einen Meter hohen Steindeich umgeben und ist damit zumindest bei leichteren Sturmfluten vor Überflutung geschützt. Zwei bis fünfmal im Jahr heißt es allerdings auch hier „Land unter“ und das Leben der Einwohner ist auf die insgesamt zehn Warften begrenzt. Es sind übrigens mittlerweile deutlich weniger als 100 Menschen, die es ganzjährig hier aushalten.
Hooge ist eigentlich zweigeteilt – in den touristischen Süden und den weitgehend dahin schlafenden Norden. Schon nach Verlassen des Bootes spürt man, dass das Boot erwartet wurde. Immerhin besuchen Jahr für Jahr rund 90.000 Tagesbesucher die Insel. Mehrere Pferdekutschen stehen bereit, um die Bootsladung an Touristen aufzunehmen, und eine Reihe von Fremdenführern scharen diejenigen um sich, die einen geführten Rundgang gebucht haben. Sowohl die Komforttouristen als auch die Spaziergänger werden im Wesentlichen zu zwei Sehenswürdigkeiten geführt: Die Kirchwarft mit der Kirche und die Backenswarft mit den Königspesel. Mehr ist in den drei Stunden Aufenthalt auch nicht zu schaffen.
Das Kirchenwarft ist – na ja, eine alte Backsteinkrche, von der aus man einen guten Blick über die flache Landschaft hat. Während meines Besuchs waren die Wiesen voll mit Zugvögeln, die auf ihrem Flug nach Norden hier eine Rast einlegen. Dazwischen eine Handvoll Kühe, die der Beleg dafür waren, dass in dieser abgelegenen Ecke der Welt tatsächlich noch Landwirtschaft betrieben wird.
Der wichtigste Anziehungspunkt ist jedoch die Hanswarft. Sie ist vom Schiff aus in gut 20 Minuten zu Fuß erreichbar und bietet neben der üblichen Schnellrestauration für die Touristen ein Sturmflutkino, in dem an sich ansehen kann, wie es hier aussieht, wenn mal wieder das Meer zugeschlagen hat.
„In den Restaurants und Cafes verwöhnen wir Sie mit halligtypischen Spezialitäten, wie z.B. Pharisäer, Krabbengerichten oder dem typischen "Mehlbüddel",“ liest man auf der Website der Hallig Hooge. Mit anderen Worten: es gibt Hausgemachtes von Muttern und alles, was schnell geht. Tagestouristen haben nun mal nicht allzu viel Zeit.
Sehenswert ist auf der Hanswarft ist auch das Erlebniszentrum „Mensch & Watt“, ein Heimatmuseum, in dem man eine alte friesische Wohnstube besichtigen kann und der „Königspesel“. Dabei handelt es sich um eine Friesenstube aus dem 18. Jahrhundert, die mit ihren Fayencen die Wohnkultur der Seefahrer vermittelt.
Soweit der Süden der Hallig und das, was den Tagesbesucher erwartet. Doch wie es aussieht, gibt es auf Hooge durchaus auch Urlauber, die länger bleiben wollen. Sie landen entweder in einem der beiden Pensionen, mieten sich ein Privatzimmer oder ziehen vorübergehend in eine Ferienwohnung ein. Das Angebot ist begrenzt und in der Hauptsaison praktisch immer ausgebucht.
Was man hier tun kann? Eigentlich nicht viel. In rund drei Stunden hat man die Hallig Hooge zu Fuß umrundet. Mit dem Rad dürfte man dafür wohl kaum mehr als eine Stunde brauchen. Dazu gibt es einen Seglerhafen und mehrere Badestellen. Aber die stehen natürlich nur bei Hochwasser zur Verfügung. Ach ja: es wird auch eine Wattwanderung angeboten. Sie führt nach Pellworm und sollte ausschließlich mit einem ortskundigen Führer unternommen werden.
Es gibt eben zwei Sorten von Urlaubern. Die einen wollen etwas erleben und die anderen wollen einfach nur ausspannen, abschalten, die Seele baumeln lassen. Nur Letztere sollten sich zur Hallig Hooge aufmachen.