Gent: Quirlige Stadt im belgischen Städtedreieck
Wer mit dem Wohnwagen oder Reisemobil unterwegs ist und über 1000 Kilometer bis zum Urlaubsziel hat, der kann die Strecke natürlich an einem Stück herunterreißen. Er kann aber auch nach dem Motto „der Weg ist das Ziel“ vorgehen und unterwegs die eine oder andere Sehenswürdigkeit mitnehmen. Ich wollte in die Bretagne und habe meinen ersten Stopp im belgischen Gent gemacht. Eine Idee, die ich nur weiterempfehlen kann.
Auslöser war der Reiseblog einer Amerikanerin, die Gent mit überzeugend glühenden Worten als die schönste Stadt Belgiens beschrieb. Ich hab ihr einfach mal geglaubt, habe Brüssel links und Antwerpen rechts liegen lassen und die für mich bis dato Unbekannte angesteuert.
Gent ist bedeutend kleiner und beschaulicher als die übrigen Alternativen im belgischen Städte-Dreieck. Es ist kompakt und lässt sich mit dem Fuß oder Fahrrad problemlos an einem Tag erkunden. Wir hatten allerdings nur einen Nachmittag, weil es am nächsten Morgen schon wieder weitergehen sollte. Aber auch das genügt schon für einen recht guten Eindruck.
Gent ist nicht so hafenstädtisch wie Antwerpen und nicht so großstädtisch wie die Hauptstadt Brüssel. Aber Gent ist auf eine angenehme Art typisch für Belgien. Hier spürt man den flämischen Einfluss, kann aber auch deutliche französische Akzente erkennen. Und man erlebt ein fast kleinstädtisches Flair, das irgendwie sympathisch wirkt. Was die Küche angeht, bekommt man an jeder Ecke typisch deftige Regionalkost a la Moules & Frites geboten. Oder man entscheidet sich für eines der französischen Lokale, die vor allem im oberen Segment angesiedelt sind.Die sollte man aber besser vorher reservieren.
Die Verständigung klappt auf jeden Fall auf englisch, aber auch französisch ist kein Problem und wenn man Glück hat, wird der eigene Akzent als deutsch erkannt und man wird in der eigenen Sprache angesprochen. Belgien ist eben ein kleines Land und die nächste Grenze kaum mehr als eine Stunde entfernt Und die Menschen hier haben keine Berührungsängste und begegnen jedem Fremden mit unkomplizierter Offenheit.
Wer mit dem Wohnmobil ankommt, sollte „Yachtdreef“ in sein Navi eingeben. Dann landet er auf einem relativ großen Parkplatz direkt am Yachtclub, Der ist zwar alles andere als schön. Aber dafür ist man von hier mit der Straßenbahn oder dem eigenen Fahrrad in wenigen Minuten in der Innenstadt. Der Platz ist kostenlos, hat aber dafür auch keinerlei Ver- und Entsorgungsmöglichkeiten zu bieten. Auch ein Cafè oder gar Restaurant sucht man hier vergebens. Es gibt lediglich einen kleinen Kiosk mit dem, was ein Kiosk eben so zu bieten hat.
Als wir (Ende Juli) so gegen 15 Uhr ankamen, war der Platz schon recht gut belegt und als wir später am Abend von einem ausgiebigen Stadtbummel wieder zurück kamen, gab es absolut keinen Quadratmeter Stellfläche mehr. Aber zum Übernachten und Weiterfahren war der Platz OK, auch wenn wir uns hier nicht wirklich sicher gefühlt hätten, wenn wir nicht dicht an dicht unter gefühlt hundert Gleichgesinnten gestanden hätten.
Deutlich komfortabler, aber dafür ein gutes Stück weiter weg ist der Campingplatz „Verblijfpark 't Stropke“ an der Sneppenbrugstraat. Hier steht man im Grünen unter Bäumen und am nächsten morgen kann man noch mal die Tanks ver- und entsorgen und die Toilettenkassette leeren.
Das Leben der Stadt scheint sich vor allem entlang des Flusses Leie abzuspielen. Hier findet man ein Café und ein Restaurant neben dem anderen. Die Speisekarten waren mehr oder weniger identisch, bodenständig, Moules & Frites eben. Aber die Gegend lädt zum Bummeln ein und verwandelt einen einfachen Stopover zur Unterbrechung einer langen Fahrtstrecke in ein kleines Erlebnis. Europa ist eben doch nicht ein großes Land vom Nordkap bis zum Mittelmehr. Sondern vielmehr eine Sammlung unterschiedlicher Kulturen, die alle ihren eigenen Reiz haben. Gent ist ein typisch belgisches Beispiel dafür.
Wer auf dem Heimweg in Gent haltmacht, sollte unbedingt eine Packung original belgischer Trüffel mitnehmen. Die sind nicht ohne Grund weltberühmt. Und wer nicht auf die Kalorien achten muss oder will darf natürlich gerne probieren, was die örtliche Pâtisserie zu bieten hat. Aber Vorsicht: Suchtgefahr.
Es ist natürlich eine Frage der persönlichen Lebensphilosophie, aber seitdem ich auf eigene Faust und dem eigenen mobilen Feriendomizil unterwegs bin, tue ich mir eigentlich keine tagesfüllenden Gewalttouren mehr an, sondern zerlege Hin- und Rückfahrt in mehrere Etappen. Meiner Liebsten kommt das sehr entgegen, denn sie ist ein äußerst aktives Mädchen, das spätestens nach drei Stunden Autofahrt unruhig wird. In Gent hatte sie genügend Auslauf und konnte eine schöne weltoffene Stadt kennenlernen, an der die Meisten wohl einfach nur vorbei fahren, um möglichst schnell am eigentlichen Urlaubsziel anzukommen.