Irland: Wild campen am Wild Atlantic Way

Der Wild Atlantic Way ist die wohl intensivste Art, Irland kennenzulernen. Die touristische Route der grünen Insel beginnt irgendwo südlich von Dublin und folgt der gesamten Küste, bis die Grenze zu Nordirland erreicht ist. Wer ihn in einem rutsch durchfahren will, sollte sich gut zwei Monate Zeit dafür nehmen. Allen anderen sei vor allem die südliche Runde zwischen Cork und Galway empfohlen.

Genau die stand auf meinem Reiseplan, als ich im Sommer 2017 in Hamburg aus Richtung Südwesten fuhr. Das Navi war programmiert, um mich zunächst in die Bretagne zu bringen, denn ich wollte von Cherbourg aus ins irische Rosslare übersetzen. Es war bei weitem nicht meine erste Reise mit einem Reisemobil. Aber es war meine erste Tour, die mich mit einem für mich völlig neuen Aspekt des unabhängigen Reisens vertraut machen sollte.

Camping war schon immer ein fester Bestandteil meines Urlaubslebens. Jahrzehntelang war es ein Wohnwagen, mit dem ich durch Europa tourte. Als sich die Familie allmählich aufgelöst hatte und wieder Reisen zu Zweit angesagt waren, standen zunächst Hotels und Ferienwohnungen im Mittelpunkt, bis der alte Drang nach Unabhängigkeit wieder durchbrach und ein Wohnmobil angesagt war. Doch der alten Gewohnheit folgend, stand ich auch damit stets auf Campingplätzen, bis, ja bis zu dieser ersten Reise nach Irland.

Das fing schon am ersten Tag an. Wir hatten uns erheblich verspätet, dazu kam noch ein Stau auf der A7 und irgendwann war klar, das wir den anvisierten Campingplatz nicht mehr erreichen würden. Als einzige Alternative blieb ein Autobahn-Rastplatz, auf dem wir nicht ohne mulmiges Gefühl anhielten, um uns neben Lastwagen und zur Pinkelpause anhaltenden Autofahrern ins Bett zu begeben. Ähnlich erging es uns dann in Cherbourg, wo am späten Abend ebenfalls keine Alternative mehr blieb, als direkt neben dem Fährterminal zu übernachten.

In Irland selbst sollte sich dieses Spiel dann wiederholen – bis es irgendwann zur Gewohnheit wurde. Der Wild Atlantic Way bewegt sich über weite Strecken nicht entlang der üblichen Touristenwege, sondern windet sich kurvenreich entlang der meist felsigen Küste, an der sich immer wieder atemberaubende Blicke auf das Meer ergeben, das hier mit mächtigem Tosen auf die Landmasse trifft. Zwischendrin gibt es kleine, geschützte Buchen mit einem hübschen Sandstrand. Meist aber führt die Straße ein gutes Stück oberhalb von Normalnull durch unberührte Natur.

Einen Campingplatz suchten wir eigentlich nur alle zwei, drei Tage auf, um unseren Fäkalientank zu leeren, das Mobil vom gesammelten Abwasser zu befreien und neues Wasser zum Kochen und Duschen zu bunkern. In einem fremden Land ist das einfach die bequemste Art, seine mobile Freiheit zu erhalten, denn ein Wohnmobil ist zwar autark, aber eben doch nur mit Einschränkungen.

Recht nervig in Irland sind die zahlreichen Parkplätze, deren Zufahrt mit einem niedrigen Querbalken versehen ist. Hier sind Wohnmobile offensichtlich nicht willkommen und selbst unser ausgebauter Fiat Ducato hatte keine Chance. Auch an Stränden findet man oft solche Einschränkungen, während an touristischen Anziehungspunkten nicht selten der eindeutige Hinweis  zu finden ist: „No camping. No overnighting.“

Aber die Iren gehören offensichtlich nicht zu den Leuten, die ein Haar an Politessen auf ihre Mitmenschen loslassen und jeden Regelverstoß rigoros verfolgen. Das wurde uns zumindest am Parkplatz vor Dursey Island klar. Hier gibt es eine kleine Seilbahn, die mehrere hundert Meter über dem tosenden Atlantik zu einer Insel fährt, die heute nur noch von einem Dutzend Menschen bewohnt wird. Dort sollte es einen lohnenden Wanderweg geben und wir wollten am Abend vorher anreisen, um gleich nach dem Frühstück loslegen zu können.

Aber auch hier stand dieses Schild und gegen Abend zogen auch brav all die Nasenbären, Teilintegrierten und Camper ab, die wir dort angetroffen hatten. Ich fragte den Menschen, der die Seilbahn operierte, wie ernst man denn das Schild nehmen müsse. „Keine Sorge, ich werde Sie hier nicht vertreiben,“ meinte er gutgelaunt: „Und außer mir gibt es niemand hier draußen.“ Er erklärte uns, das Schild sei vor Jahren angebracht worden, nachdem immer wieder Reisemobile dort übernachtet hätten, um dann nicht nur ihr Abwasser einfach auf den Parkplatz laufen zu lassen, sondern auch ihren Toiletteninhalt ins Gelände zu kippen. Wir versprachen ihm, das natürlich nicht zu tun und wir blieben Freunde.

Ähnlich erging es uns am Whitestrand, irgendwo nicht weit von den Cliffs of Moher entfernt. Der kleine Campingplatz war belegt und wir landeten direkt neben dem Strand auf einem kleinen Parkplatz. Auch hier war das Hinweisschild eindeutig, doch die Aufpasser von der Wasserwacht nahmen keine Notiz von uns, als sie Feierabend machten. Wir entschlossen uns zu einem späten Bad im Meer und genossen einen schönen Abend mit Blick auf die Bucht bis hinüber zu den Cliffs. Es ist eben doch schön, wenn man alles dabei hat und einfach da bleiben kann, wo es gefällt.

Einmal - es war in Kinsale, das für seine zahlreichen Restaurants und das alljährliche Gourmet-Festival bekannt war – standen wir sogar mitten in der Stadt. Einen Campingplatz gab es hier ohnehin nicht. Der große Parkplatz am Hafen hatte wieder den lästigen Querbalken und so kurvten wir eine Weile durch die engen Straßen und suchten eine Bleibe. Die fand sich dann am Rande eines kleinen Parks, der von zweistöckigen Wohnhäusern umgeben war. Ein älterer Mann, der gerade seinen Hund spazieren führte, meinte auf meine Frage: „Klar können Sie hier stehen bleiben. Sie stören doch niemand. Have a nice stay.“

Zweimal passierte es uns auch, dass ein im Campingführer ausgewiesener Campingplatz nur noch aus fest installierten Mobilheimen bestand und man uns freundlich „sorry“ sagte. Doch auch hier fand sich schnell eine Alternative. Zum Beispiel an einem schönen See irgendwo zwischen Galway und Dublin. Ganz in der Nähe war Tullamore mit seiner alten Whiskey-Destillerie. Wir parkten direkt an einer kleinen Marina, wo sich schon zwei andere Wohnmobile eingefunden hatten und zogen am nächsten Morgen erst weiter, als sich die Nebelschwaden über dem See allmählich auflösten und herrliche Motive für die Kamera lieferten.

Das wohl eigenartigste Erlebnis hatten wir dann auf der Heimreise über England. Die Fahrt von Holyhead nach Birmingham führte über malerische Landstraßen durch eine eindrucksvolle Landschaft, was uns veranlasste, immer wieder anzuhalten, um die Gegend auf uns wirken zu lassen. Am Ende wurde es dann dunkel und es machte keinen Sinn mehr, bis nach Dover durchzufahren, um noch eine Fähre zu erwischen. Also machten wir irgendwo südlich von London halt, holten uns bei KFC eine schnelle Mahlzeit und zogen die Jalousien zu.

Am nächsten Tag sah ich es dann: Das Schild direkt neben dem Mobil wies darauf hin, dass dies hier Privatgrund sei. Parken sei nur bis zu einer Höchstdauer von zwei Stunden gestattet. Der gesamte Parkplatz sei videoüberwacht. Außerdem sei ein Überwachungssystem zur automatischen Erfassung der Autokennzeichen installiert. Übernachten würde 35 Euro kosten und die sollten direkt über ein Online-Bezahlsystem entrichtet werden. Wer dies nicht tun würde, müsste mit einer Gebühr von 100 Euro für den zusätzlichen Aufwand rechnen.

Nun ist es ja in England nichts Besonderes, dass der öffentliche Raum von Kameras überwacht wird. Aber gerade auf diesem Parkplatz konnte ich keine einzige Kamera erkennen. Und erst recht keine, die in der Lage gewesen wäre, jedes Autokennzeichen zu sehen.

Wild campen – oder besser gesagt frei campen – ist also auch im Zeitalter der immer häufiger auftretenden Wohnmobile machbar. Man muss sich nur einen gewissen Sinn für diese Freiheit bewahren. Und man sollte so umsichtig sein, weder seine Mitmenschen zu belästigen, noch die Natur mit seinen Abfällen zu belasten. Denn, wie gesagt, auch ein autarkes Wohnmobil ist letztendlich nur eingeschränkt autark.

Dieser Beitrag ist Teil der Blogparade ‚Wildcamping-Geschichten‘, zu der Gerfried vom womoguide aufgerufen hat. Noch bis zum 08. Juli 2017 kann hieran jeder teilnehmen, der hin und wieder wildcampt und hiervon Stories erzählen kann. Übrigens: nicht nur Blogger sind eingeladen, sondern auch all diejenigen, die gerne eine Geschichte davon erzählen möchten könne Gerfried mailen und so einen Gastbeitrag auf womoguide.de leisten!