Caravaning: Die Freiheit, sich jederzeit anders zu entscheiden

Wer mit dem Wohnwagen oder Wohnmobil auf reisen geht, hat einen ganz entscheidenden Vorteil. Er muss sich nicht schon Monate im voraus festlegen, wohin es im nächsten Urlaub gehen soll. Er muss keine Ferienwohnung buchen, um bei der Anreise festzustellen, dass für die nächsten zwei Wochen Regen angesagt ist. Er kann sich in letzter Minute entscheiden, doch nicht nach Skandinavien, sondern lieber in die Toskana zu fahren. Und er kann ganz spontan ins Grüne fahren, weil der Frühling da ist, die Sonne scheint und alles auf ein tolles Wochenende hindeutet. Umso erstaunter bin ich immer wieder, dass Viele diese Vorteile überhaupt nicht nutzen.

In den einschlägigen Facebook-Gruppen kann man es jedes Jahr erleben. Kaum ist Weihnachten vorbei, beherrscht der nächste Sommerurlaub die Köpfe. Da wird nach Erfahrungen gefragt („war schon mal jemand auf diesem Campingplatz?“) Es geht um den besten Campingführer und die beste Stellplatz-App. Es wird geträumt, geplant, verglichen. Und es wird gebucht.

Gerade Letzteres habe ich nie wirklich verstanden. Wofür habe ich mir ein Feriendomizil mit Rädern angeschafft, wenn ich im Januar eine Parzelle auf irgend einem Campingplatz buche, um ja auf Nummer sicher zu gehen? Weshalb hänge ich ein klobiges Wohngehäuse an mein Auto, wenn ich damit nichts anderes mache, als es ein, zweimal im Jahr irgendwo hin zu ziehen, um mich dann bis zum letzten Urlaubstag nicht mehr vom Fleck zu bewegen?

Eigentlich macht das doch überhaupt keinen Sinn. Da kann man sich doch gleich eines dieser Aluhütten mieten, wie sie mittlerweile auf fast jedem Campingplatz zu finden sind. Oder man nimmt sich eine Ferienwohnung und fährt schnell und bequem mit dem Auto hin. Das ist allemal bequemer als die paar Quadratmeter Wohnfläche, die ein Wohnwagen zu bieten hat.

Ich habe das Thema immer mal wieder angesprochen, aber zu einer Diskussion kam es eigentlich nie. Jeder habe eben seine eigenen Vorstellungen, war der allgemeine Tenor. Und als Argument wurde vor allem „Sicherheit“ genannt. Man wollte sicher gehen, den besten Stellplatz auf dem besten Campingplatz in der Region zu bekommen. Und man wollte eigentlich nichts anderes, als da hinfahren, das große Vorzelt aufbauen und die Beine hochlegen.

Ich selbst war offensichtlich ein Exot unter Caravanern. Ich habe nie gebucht. Ich hatte einen Campingführer dabei und habe mich erst vor Ort entschieden, wo der stehen soll. Manchmal war es der anvisierte Platz. Manchmal aber auch nicht. Manchmal habe ich den Wagen auch auf einem Platz abgestellt, der mir eigentlich gar nicht gefiel, um am nächsten Tag eine kleine Rundfahrt zu machen und bei der Gelegenheit die anderen Plätze in der Region zu begutachten. Meist sind wir fündig geworden, haben gleich reserviert und sind am nächsten Tag umgezogen.

Das ist für mich Caravaning und dafür habe ich es geschätzt. Nicht nur ich, sondern auch meine Liebste, mit der ich ganz Europa bereist habe. Und meine Kinder, die es einfach toll fanden, dass man die Ferienwohnung einfach mitnehmen konnte. Sie waren zwar oft der Grund, weshalb wir auf einem Platz länger geblieben sind, als ursprünglich vorgesehen. Aber einen ganzen Urlaub an ein und demselben Ort zu verbringen, das wollte eigentlich keiner von uns.

Ich kann mich an diesen Luxus-Campingplatz in der Bretagne erinnern. Er hatte alle Sterne im Campingführer, war von allen möglichen Organisationen ausgezeichnet und sollte zwei Wochen lang unsere Basis zur Erkundung der Gegend sein. Als wir ankamen, empfing uns ein Platz mit Trubel und Disco-Musik. Die Wohnwagen standen dicht an dicht. Wir guckten uns an und fuhren weiter. Nur drei Kilometer landeinwärts fanden wir einen tollen Platz in einem Schlosspark, an den ich noch heute zurückdenke.

Man muss allerdings dazu sagen, dass ich die großflächigen Urlaubsfabriken an den Küsten grundsätzlich gemieden habe. Wo schon tausend Andere sind, muss ich nicht meinen Urlaub verbringen. Wo es mehr Verbotsschilder gibt als zu Hause in Deutschland, werde ich mich nicht lange wohlfühlen. Denn was braucht man denn als Caravaner: einen netten Standplatz, einen Wasser- und Stromanschluss, ein sauberes Sanitärgebäude. Das war‘s auch schon.

Klar hat man ein Ziel, wenn man in den Urlaub fährt. Aber wer sich allzu genau festlegt, läuft auch Gefahr, vieles zu verpassen, nur weil es nicht in die Reisepläne passt. Ich habe mich meist für die Region festgelegt. Dann habe ich mir einen Reiseführer geholt (das ist noch immer übersichtlicher als im Web zu recherchieren). Und ich habe eine Karte auf dem Tisch ausgebreitet. Dort wurden dann in Rot alle Orte markiert, an denen es etwas zu Sehen gab. In Blau wurden die in der Nähe liegenden Campingplätze eingetragen. Alles andere ergab sich dann.

Einmal wollte ich mit meiner Frau im Herbst für eine Woche zum Wandern nach Südtirol fahren. Als wir losfuhren, regnete es in Strömen. Da wir wieder mal viel zu spät weggekommen sind, schafften wir es am ersten Tag nur bis kurz vor die Alpen. Also suchten wir uns einen Campingplatz in der Nähe der Autobahn, um erst einmal eine Nacht zu schlafen. Am nächsten Morgen hieß es in den Nachrichten, dass der Reschenpass wegen eines Erdrutsches gesperrt sei. Wir fuhren trotzdem los, denn es kann schließlich keine Ewigkeit dauern, so einen Erdrutsch zu beseitigen. Doch keine Stunde später saßen wir im Stau fest.

Nein, den ganzen Tag auf der Straße verbringen, das wollten wir eigentlich nicht. Außerdem schien es auch in Südtirol zu regnen. Also studierte ich die Karte (das war die Zeit vor den Navis) und wir entschlossen uns kurzerhand zu einer Richtungsänderung. Es ging quer durch die Schweiz bis nach Genf, weiter Richtung Annecy und dann in die französischen Alpen. Es wurde ein ungeplanter, erlebnisreicher Kurzurlaub bei bestem Wetter. Wozu hat man schließlich seine Ferienwohnung dabei?

Auch in der Bretagne sind wir schon vor dem schlechten Wetter geflohen. Drei Tage hielten wir es auf dem eigentlich recht malerisch gelegenen Campingplatz an der Atlantikküste aus. Dann bauten wir das Vorzelt ab und fuhren Richtung Mittelmeer. Der Urlaub blieb Urlaub, auch wenn er an einem völlig anderen Ort stattfand. Hätten wir den Platz fest gebucht und womöglich auch noch im voraus bezahlt, wäre es entweder ein verregneter Sommerurlaub geworden, oder wir hätten relativ viel Geld verloren.