Vignettenpflicht: Zurück in die Kleinstaaterei

Reisen im Mittelalter war nicht nur anstrengend Es war auch gefährlich. Man musste nicht nur mit Räubern rechnen, die am Wegesrand lauterten, um eine Kutsche auszurauben. Auch an jedem Stadttor war eine Mautgebühr angesagt. Von den zahlreichen Grenzen ganz zu schweigen. Im Vergleich dazu war Reisen in den Siebzigern und Achtzigern geradezu easy. Nun gut in Frankreich und Österreich gab es ein paar Autobahnen, die alle paar Kilometer Klimpergeld verlangten. Aber die Frage „Haben Sie etwas zu verzollen?“ war eher rhetorischer Natur, denn die Schlange vor dem Schlagbaum war viel zu lange, um sich wegen ein paar Flaschen oder Zigaretten aufzuhalten.

Doch das war vermutlich der Höhepunkt europäischer Reisefreiheit und eine Ära, die es so wohl nie wieder geben wird. Denn Europa hat zwar dafür gesorgt, dass der Urlaub nicht in der Wechselstube beginnt und nur noch in wenigen Ländern der Taschenrechner gebraucht wird, um die örtliche Währung umzurechnen. Aber dafür hat sich eine neue Unsitte ausgebreitet.

Aufkleber, die einfach nur nerven

Ihr äußeres Kennzeichen sind knallbunte Vignetten, mit denen der Autofahrer von heute seine Windschutzscheibe verunzieren muss. Ein Kurztrip nach Salzburg und schon klebt so ein Ding dran. Einmal quer durch die Schweiz und schon wieder ist ein runder Aufkleber fällig. Doch man muss eigentlich gar nicht ins Ausland, um dieser Manie ausgesetzt zu sein. Es genügt schon der Wunsch, eine deutsche Großstadt zu besuchen. Da ist nämlich ganz schnell von „Umweltzone“ die Rede und es wird wieder ein Aufkleber fällig, um sich dort ungestört bewegen zu dürfen.

Wobei das Bewegen noch nicht einmal das Problem ist. Das beginnt nämlich, sobald man anhalten will und einen Parkplatz gefunden hat. Spätestens dann wird nämlich deutlich, dass jede deutsche Gemeinde mittlerweile dasselbe Geschäftsmodell verfolgt und ein Heer an uniformierten Straßenräubern auf die Straße schickt, der sich am künstlich verknappten Parkraum vergreift. Bei der Gelegenheit wird dann auch gleich kontrolliert, ob die Plakette auch die richtige Farbe hat.

Kompliziert, komplizierter, Vignette

Die Franzosen haben das bisher eher recht locker gesehen. Doch 2018 ist auch dort Schluss mit lustig. Das Stichwort heißt Crit‘Air und bezeichnete eine Umweltplakette, die auch jeder Tourist an der Scheibe haben sollte, wenn er bestimmte Städte anfahren will. Paris zum Beispiel, aber auch in Lyon oder im Raum Grenoble und Strasbourg.

Wobei hier – ganz im Sinne eines vereinten Europas – jede Stadt ihr eigenes Süppchen kocht. In Paris wird die Luft anscheinend nur zwischen 8 und 20 Uhr verschmutzt. In Grenoble richtet sie sich nach den aktuellen Messwerten. In Lyon kommt es darauf an, ob man ein gerades oder ungerades Nummernschild hat. Eine ziemlich unsinnige Regelung, die durch 6 unterschiedliche Plaketten noch weiter verkompliziert wird.

Wer es sich antun möchte: der aktuelle Stand zum Umweltwahn französicher Prägung findet sich hier:  de.france.fr/de/info/umweltzonen-frankreich Wobei man so eine Plakette nicht einfach an der Tanke kaufen kann, sondern mindestens 30 Tage vor der Reise in Frankreich bestellen muss. Unter certificat-air.gouv.fr kann man den Papper bestellen – für 8,50 € samt Versandkosten. Das heißt, falls man die genannten Regionen nicht lieber großräumig meiden möchte.

Straßenzoll wie einst bei den Raubrittern
Womit wir beim leidigen Thema Maut wären. Die gibt es leider in zahlreichen europäischen Ländern. Und auch hier ist die Lage alles andere als einheitlich. Mal kriegt man das nötige Pickerl an jeder Tanke vor der Grenze. Mal ist es besser, es sich vorher zu besorgen. Mal muss man bar an der Mautstation bezahlen und dann wieder gibt es Situationen, in denen man ohne Plastikgeld völlig aufgeschmissen ist.

Eine recht gute Dokumentation zu den Regelungen in den einzelnen Ländern gibt es hier https://de.camperstyle.net/maut-und-vignetten-in-europa-regelungen-kosten/

Eine Reise von Oslo nach Neapel verläuft zwar heute in aller Regel ohne Überfälle. Aber an der seit Jahrhunderten üblichen Wegelagerei hat sich nur wenig geändert. Wobei ich mich manchmal frage was mir lieber ist – eine gepflegte französische Autoroute mit Gebühren oder eine deutsche Autobahn mit nervigen Schlaglochstrecken, tausend unendlich langen Baustellen und ständigen Staus? Denn anscheinend scheint es nur zwei Alternativen zu geben: entweder der Staat verkauft das Straßennetz an irgendwelche Kapitalgesellschaften, die sie dann nach irgend einem Gebührenmodell betreiben. Oder er hält sie selbst instand und demonstriert damit einmal mehr seine Unfähigkeit.