Reisemobile: Plädoyer für den Kasten

Es gibt eine Erkenntnis, die jeder Camper kennt, der schon ein paar Jahre auf eigene Faust unterwegs ist. Ganz gleich, ob es sich um einen Wohnwagen oder ein Reisemobil handelt, das Prinzip ist immer gleich: Schöner wohnen heißt vor allem viel Platz haben. Angenehmer Reisen hingegen verlangt ein möglichst kompaktes Fahrzeug, das sich entspannter manövrieren lässt und den Fahrer nicht so schnell in Situationen bringt, die ihm Schweißperlen auf die Stirn treiben.

Größte hängt also nicht nur davon ab, was man sich leisten kann. Es ist auch eine Sache der ganz persönlichen Abwägung zwischen Vor- und Nachteilen. Ja, man kann sagen, es ist geradezu eine Frage der Lebensphilosophie, ob man mit einem Luxusleiner auf Reisen geht, einen wuchtigen SUV mit anhängendem Tandemachser über die Straßen bewegt, einen flotten Kastenwagen mit Wohnausbau bevorzugt oder gar mit einem Camper zufrieden ist.

So eine schnittige Landjacht erzeugt natürlich feuchte Augen und weckt Besitzwünsche, wenn man auf der CMT davor steht. Doch wer einen Eindruck davon bekommen will, wie sich so ein Ding fährt, sollte einfach einmal eine Busreise machen und auf einen Platz in der ersten Reihe bestehen. Da ist er dann, der Wow-Effekt: Eine riesige Windschutzscheibe bietet den Panoramablick auf die vorbeiziehende Landschaft. Und irgendwann kommt auch der Aha-Effekt: Dann nämlich, wenn es über kurvige Landstraßen geht, durch enge Dörfer oder gar Passstraßen, die nicht viel breiter sind als das Fahrzeug selbst.

Will heißen, so ein Ding muss man auch fahren können. Nicht nur vorwärts, sondern auch rückwärts. Und auch dann, wenn es um Zentimeter geht. Links, rechts, oben, überhaupt.

Die Folge ist, dass die ganz großen Wohnmobile meist nur auf Schnellstraßen bewegt werden und am Ende einen Campingplatz anfahren, auf dem das Fahrzeug dann zum Standzeug wird, bis der Urlaub vorüber ist. Aber ist das der Sinn eines Reisemobils?

Als Reisejournalist hatte ich schon Gelegenheit, die unterschiedlichsten Wohnmobile zu fahren. Vom Vollintegrierten im Maxi-Format bis zum kompakten Kastenwagen. Nur die kleinen Busse mit Bett und Hubdach habe ich ausgelassen. Damit hatte ich in meiner Jugend schon genügend Erfahrung und bin irgendwann bei der Überzeugung gelandet, dass es zwar ganz nett ist, damit zu campen. Aber von Wohnen kann man dabei nicht sprechen. Und von Komfort auch nicht. Deshalb lasse ich dieses Kapitel jetzt mal außen vor.

Ansonsten decken sich meine Erfahrungen mit denen der meisten Caravan- und Wohnmobilfahrer. Wohnraum ist toll – solange das Fahrzeug steht. Doch auf der Straße hätte man doch eigentlich lieber etwas Kompakteres. Also ich hatte irgendwann den Punkt erreicht, dass ich meine Partner aus der Fahrzeugindustrie gebeten habe, mir doch bitte das kompakteste Fahrzeug zu geben, das im Fuhrpark steht. Meist war das dann ein Teilintegrierter der 7-Meter-Klasse.

Eigentlich ist das ja nur ein gewöhnlicher Transporter mit etwas wuchtigerem Aufbau. Etwas höher, etwas breiter, aber doch recht gut zu handhaben. Nur der erhebliche Hecküberhang hat mir manchmal Sorgen gemacht. Mit der Folge, dass ich in ganz engen Situationen meist meine Partnerin nach draußen geschickt habe, um die Situation im Auge zu behalten. Sicher ist sicher, denn es ist irgendwie ein ungutes Gefühl, nicht alles sehen zu können.

Die ganz große Erkenntnis habe ich allerdings bei der letzten Irland-Reise erlebt. Es sollte den Wild Atlantic Way entlang gehen und eine Recherche im Internet hatte bereits im Vorfeld die Erkenntnis geliefert, dass die Straßen in Irland richtig schmal sein können. Und dass es richtig problematisch sein kann, die wirklich interessanten Ecken in einem Wohnmobil zu erreichen. Also entschied ich mich dieses Mal für einen Kastenwagen. Er trug den schicken Namen Vantana und die Designer von Hobby hatten sich große Mühe gegeben, dem kantig funktionalen Gefährt einen Hauch von Abenteuer zu verleihen. Etwas mehr als 6 Meter war er lang und so breit, wie ein Transporter eben ist. Damit fährt jeder Handwerker bis in die Altstadt, also sollte eigentlich auch ich kein Problem damit haben.

Ich sollte Recht behalten. Und wie! Wenn man die schmalen Straßen entlang der Coast Line von Beary, Kerry oder Dingle entlang fährt, bewegt man sich nämlich auf teilweise recht abenteuerlichen Pisten, die vermutlich zur Zeit der Pferdekutschen angelegt wurden und gerade mal breit genug waren, damit sich zwei normale Autos ohne Blessuren begegnen konnten. War eines davon ein Transporter, wurde es schon eng. Und trafen zwei dieser Gattung aufeinander, war Augenmaß gefragt. Ich war geradezu glücklich, das Lenkrad auf der „falschen“ Seite zu haben. Das gab mir nämlich die Möglichkeitso weit nach links auszuweichen, wie ich es mir anders nie getraut hätte. Wobei meine Gegner mit irischem Nummernschild ganz cool blieben und noch nicht einmal daran dachten, die Rückspiegel einzuklappen.

Aber eng ist so ein Kastenwagen schon – waren meine Befürchtungen vor der Reise. Die aber lösten sich ganz schnell auf, als ich das Fahrzeug beladen hatte. Und als ich die erste Nacht darin verbracht hatte. Zugegeben, mit weniger als 1,90 m Länge ist das hinten quer angeordnete Bett nicht wirklich üppig dimensioniert. Aber ich fand heraus, dass ich mit meinen 1,88 m ohnehin meist in gekrümmter Haltung schlief und mir die bauartbedingte Enge eigentlich nie negativ auffiel.

Natürlich ist so ein Kastenwagen enger als jeder Teilintegrierte oder Wohnwagen mit seinen 2,30 m Außenbreite. Schließlich müssen sich ja die fehlenden 30 cm irgendwie bemerkbar machen. Aber gestört hat es mich eigentlich nicht. Selbst die kompakte Dusche war für einen hoch gewachsenen und durchaus nicht dünn geratenen Mann wie mich kein Problem. Etwas mehr wäre natürlich angenehmer gewesen, aber es ging.

Ausgesprochen schön war das Fahren mit dem Vantana. Ich hatte schon Teilintegrierte erlebt, die bei höheren Geschwindigkeiten anfangen, leicht zu tänzeln und nervös auf jeden Seitenwind reagieren. Und die großen Vollintegrierten machten eigentlich erst dann Spaß, wenn sie nicht von einem Ducato angetrieben wurden, sondern von der nächstgrößeren Gattung unter den Transportern. Aber damit war man ohnehin auf 80 km/h beschränkt und flottes Reisen war von vornherein keine Option. Mit dem ausgebauten Transporter hingegen ließ sich mühelos eine Reisegeschwindigkeit von 120 km/h durchhalten.

Was daraus folgt? Solange ich meine Tätigkeit als Reisejournalist fortsetzen kann, werde ich sicher meinen privaten Wohnwagen beibehalten und weiterhin neue, interessante Fahrzeuge ausprobieren. Wenn die Ära einmal zu Ende geht, werde ich mir allerdings selbst ein Reisemobil anschaffen. Und das wird mit Sicherheit ein ausgebauter Kastenwagen sein.