Reims: Provinzstadt im Zeichen des Champagners

Reims zählt vielleicht nicht zu den Städten, die man unbedingt gesehen haben muss. Aber die Hauptstadt des Champagner ist durchaus einen Stopover wert. Früher bin ich öfter an Reims vorbei gekommen. Immer wenn es von der Stuttgarter Gegend über Dover nach England ging. Oder wenn die Bretagne das Ziel war. Doch mehr als den Campingplatz in Autobahnnähe habe ich nie gesehen. Das sollte beim letzten Frankreich-Urlaub anders werden. Der Weg führte von der Loire über Paris nach Nordosten. Und das Ziel der Tagesetappe hieß Reims. Hier wollten wir zumindest einen Abend und einen Vormittag verbringen, bevor es zurück nach Hause ging.

Wir wollten nicht lange bleiben und wir wollten das Reisemobil möglichst nahe am Stadtzentrum parken, um keine Zeit zu verlieren. Der Stellplatz-App „Campercontact“ pries für Reims nur eine einzige Alternativer an und die schien auch genau unseren Vorstellungen zu entsprechen. „Parc du CIS de Champagne“ nannte sich die Location und die Bewertungen wiesen darauf hin, dass man von hier aus zu Fuß ganz schnell an der Cathedrale und damit mitten im Stadtzentrum sei.

Der Platz liegt zwar direkt neben der A 344, aber dort hin zu kommen ist alles andere als trivial. Ich habe genau die angegebene Adresse in das Navi programmiert und landete vor einer Schranke. Der Stellplatzführer gab an, man müsse von der Rezeption einen Code anfordern. Rezeption? Code? Wie jetzt? Alles, was ich erkennen konnte, war eine Sprechanlage – und ja, da gab es auch eine Tastatur, über die man wohl einen Code eingeben konnte. Da mein Französisch eigentlich nur fürs Restaurant geeignet ist, versuchte ich es mutig auf Englisch und siehe da, man verstand mich und gab mir eine 4stellige Nummer. Einfach so.

Der Platz ist kostenlos. Aber er hat nur ganze 8 Stellplätze. Und er ist der einzige Wohnmobil-Stellplatz in Reims. Als ich um die Ecke bog, erst einmal der Schreck: alle Plätze waren belegt. Ich stieg also aus, um die Lage zu peilen. Wenn ich mich da in der Kurve halb aufs Gras stellen würde, könnte es gehen. Ich hatte ja nur einen kompakten Kastenwagen. Das war zwar so nicht vorgesehen, aber eine andere Möglichkeit gab es nicht. Außerdem war es hier sehr eng. An Umdrehen war nicht zu denken und die ganze Strecke im Rückwärtsgang zurücklegen war nicht unbedingt mein Traum.

Doch wir hatten Glück und einer der herumstehenden Camper signalisierte mir in lebhafter Zeichensprache, dass er gleich abfahren wolle. Der Itliener muss wohl den verzweifelten Blick meiner Liebsten gesehen haben, die allmählich die Hoffnung auf einen Abend in Reims verlor. Wir dankten dem Schicksal und hatten eine Bleibe für die Nacht. Zwar standen wir Blech an Blech und an eine Ver- und Entsorgung war nicht zu denken. Aber das war uns in diesem Augenblick egal. Es war ja nur für eine Nacht.

Die Erfahrungen bei Campercontact hatten ja eigentlich nicht so vertrauenerweckend geklungen. Aber ich vermute, dass Einige den Platz gar nicht gefunden haben und auf dem nahegelegenen Parkplatz des Stadions gelandet waren. Hier war es nämlich ganz nett. Man musste nur durch einen kleinen Park gehen, die Autobahnbrücke überqueren und nach etwas 300 m war man schon mitten in einer Einkaufsstraße. Die Cathedrale war 1200 m entfernt. Also auch zu Fuß kein Thema. Wir machten uns also auf und landeten im Turismus-Büro, das noch genau zehn Minuten geöffnet war. Es gäbe hier einen Bus für Stadtrundfahrten, erfuhren wir, und buchten gleich den ersten Trip am nächsten Morgen.

Das kann ich auch jedem empfehlen, der in Reims halt machen will. Die Stadt hat nämlich eine recht bewegte Geschichte und von deren Zeugnissen erfährt man nur, wenn man in einen der kleinen City Tour Busse einsteigt. An jedem Platz gibt es einen Kopfhörer und man kann unter anderem auch Deutsch als Sprache auswählen. Auf der Fahrt sieht man unter anderem die großen Weingüter, die in Reims zu Hause sind. Das Bekannteste davon natürlich Pommery. Hier kann man auch eine ausführliche Besichtigung machen, um aus erster Hand zu erfahren, wie der echte Champagner produziert wird.

Die profane deutsche Bezeichnung für das edle Getränk ist ja „Schaumwein“, denn ausschließlich der aus der Champagne darf sich Champagner nennen. Im Elsass und anderen französischen Weinbau-Regionen heißt er Crement – und ist durchaus nicht schlechter.

Essen  in Frankreich kennt eigentlich nur zwei Alternativen: Restaurant oder Brasserie. Ein gutes Restaurant serviert nur zu festen Zeiten und man muss irgendwann zwischen sieben und acht Uhr abends auftauchen, um daran teilnehmen zu dürfen. Früher geht nicht und später erst recht nicht. Da sind die Franzosen eigen und irgendwie stolz auf ihre Esskultur. Auch geht man in ein Restaurant eigentlich nur, wenn man vorher reserviert hat.

Dafür gibt es im Restaurant nicht einfach nur ein Gericht,  bei dem alles auf einem Teller gepackt wird. Die Regel ist vielmehr eine abgestimmte Menüfolge, die es meist in dieser Form nur an diesem Abend gibt und bei der man bei jedem Gang unter mehreren Alternativen wählen kann. Das Ganze braucht natürlich Zweit und so ist ein französisches Dinner meist ein abendfüllendes Programm für Genießer.

In der Brasserie geht es da deutlich hemdsärmeliger zu. Zwar kennt man auch hier komplette Menüs. Aber man kann auch nur eine Kleinigkeit bestellen oder sich aus der Speisekarte das herauspicken, auf das man gerade Lust hat. Das Essen ist allerdings deutlich rustikaler, nicht so kunstvoll angemacht und eher darauf abgestimmt, den großen Hunger zu stillen.

Da wir weder ortskundig waren, noch einen Tisch reserviert hatten, landeten wir in einer typischen Brasserie, tranken Bier statt Wein und saßen inmitten einer ess- und trinkfreudigen Gesellschaft von Reimser Bürgern, die es sich schmecken ließen und dabei lebhaft diskutierten. Zufällig fand an diesem Abend ein Gesangswettbewerb statt, der auf einer Bühne gleich nebenan ausgetragen wurde und für eine bunte musikalische Umrahmung sorgte.

Was uns übrigens auffiel sind die zahlreichen „Merkel-Steine“ (die heißen übrigens auch in Frankreich so), mit denen in Reims mittlerweile jeder öffentliche Platz abgesichert ist. Direkt an der Cathedrale hat man sogar aus der Not eine Tugend gemacht und beispielsweise eine Brasserie mit großer Außengastronomie so mit einem treppenartigen Betonring eingefasst, dessen Funktion sich erst auf den zweiten Blick erschließt.