Rouen: Ruhepol am Unterlauf der Seine

Reisen mit dem Wohnmobil hat ja eigentlich den Charme der Freiheit und Ungebundenheit. Man bekommt zwar nur das Frühstück, das man sich selbst macht. Aber dafür ist man an keine festen Hotelbuchungen gebunden und kann seine Reisepläne jederzeit ändern. Wenn zum Beispiel abzusehen ist, dass man das geplante Etappenziel wohl doch nicht erreichen wird, spricht nichts dagegen, ganz einfach an einem anderen Ort Halt zu machen und beispielsweise eine Stadt kennenzulernen, an der man sonst einfach nur vorbeigefahren wäre. In unserem Fall war das Rouen, das wir am frühen Abend auf dem Weg in die Bretagne ansteuerten.

Rouon soll eine sehenswerte Kathedrale haben und es soll eine schöne Altstadt geben, deren Hauptattraktion ein altes Stadttor mit einer großen mechanischen Uhr sei. Außerdem soll es abends auf der Fassade der Kathedrale eine interessante Lichtinszenierung geben, die als die große Attraktion der Stadt gehandelt wird. Viel mehr gab der spontan konsultierte Reiseführer eigentlich nicht her, aber das war ja schon mal was. Also entschlossen wir uns spontan, der Stadt am Wegesrand einen Besuch abzustatten.

Rouen liegt am Unterlauf der Seine. Der Fluss teilt sich hier unmittelbar vor der Stadtsilhouette in zwei Arme. Dazwischen liegt eine Inseln namens Ile Lacroix, über die zwei Brücken von einem zum anderen Ufer führen - vom modernen zum historischen Rouen. Am östlichen Ufer davon sollte sich laut Standplatzführer ein Standplatz für Wohnmobile befinden. Die Adresse: Rue Sainte Amêlie, ganz am Ende gleich nach dem Sports Complex. Einen Campingplatz gibt es weiter außerhalb der Stadt. Doch wir wollten uns nicht lange in Rouen aufhalten und steuerten daher das Seine-Ufer an.

Unser Standplatz für die Nacht lag tatsächlich direkt am Ufer des Flusses, der einige Kilometer weiter östlich bereits durch Paris geflossen war. Ein recht romantisches Fleckchen, wie wir fanden. Von Zeit zu Zeit kam ein kleines Boot vorbei. Schräg gegenüber konnte man die Uferpromenade des alten Stadtteils ausmachen, aus dem verheißungsvoll die Kathedrale emporragte. Es war erst 16 Uhr und wir entschlossen uns, nach der stundenlangen Fahrt unsere Beine zu vertreten und den Weg zur Stadt zu Fuß zurückzulegen.

Rouen ist eine Stadt wie jede in dieser Gegend Frankreichs. Es gibt sichtbare Reste einer langen Vergangenheit. Es gibt eine Fußgängerzone und Einkaufsstraße, die von malerischen Fachwerkhäusern gesäumt wird. Es gibt einen Justizpalast mit eindrucksvoller Fassade. Und dann war da natürlich die Kathedrale, der man ansah, dass sich der französische Staat große Mühe gibt, seine historischen Bauwerke zu erhalten.

Die Licht- und Lasershow war es wert, extra lange in der Stadt zu bleiben. Es war schließlich Hochsommer und vor zehn Uhr war es einfach noch zu hell für das Spektakel. Wir nutzten die Zeit für ein ausgiebiges französisches Menü in einem Hotel-Restaurant, das so freundlich war, uns auch ohne Reservierung einen Platz in der abendlichen Sonne zuzuweisen (was in Frankreich ja durchaus nicht selbstverständlich ist). Wir bummelten durch die Straßen der Altstadt und sagten uns, dass es doch eine gute Idee gewesen war, hier Halt zu machen, anstatt die restliche Strecke bis in die Bretagne noch hinter uns zu bringen.

Wer einen schönen Blick auf die Stadt und natürlich die friedlich dahinfließende Seine haben will, fährt am besten noch auf den Hügel. Dort oben über einem schroffen Felshang an der Route de la Corniche befindet sich ein Aussichtspunkt namens Panorama de la Rouen. Einen etwas hautnaheren Blick auf die Altstadt kann man auch von der Kathedrale aus erleben.

Rouen ist ein typisches Beispiel für eine sehenswerte Stadt, die durchaus einen Zwischenstopp wert ist. Ich habe es mir seit einiger Zeit zur Gewohnheit gemacht, selten mehr als 400 km am Tag zu fahren und mir auf jeder längeren Route ein, zwei Städte auszuwählen, an denen ich in früheren Jahren einfach nur vorbei gefahren bin. Für einen ersten Eindruck genügt es meist, wenn man am späteren Nachmittag ankommt und dann am folgenden Vormittag wieder weiter fährt. Meine Fotosammlung war zumindest nach unserem Besuch von Rouen um gefühlte zweihundert Motive reicher und in meiner Erinnerung gibt es jetzt ein Stück Frankreich mehr, das ich aus nächster Nähe gesehen habe.