Cliffs of Moher: Wandern am Abgrund

Wer ein Land wirklich kennenlernen will, muss mobil sein und sich möglichst unabhängig bewegen können. Nur so kann man sich auch außerhalb der ausgetretenen Touristenpfade bewegen und der Urlaub wird zur Entdeckungsreise. Das wurde mir erstmals in Irland so richtig bewusst. Ein Land, an dem man sich einfach nicht satt sehen kann und das immer wieder dazu auffordert, sich mitten in einer Natur zu bewegen, die von Wind und Regen geprägt wurde.

Ein typisches Beispiel für die dramatische Naturkulisse Irlands sind die Cliffs of Moher an der Westküste der Insel. Man kann mit dem Schnellbus von Dublin aus hinfahren, sich in den Strom der Touristen einordnen und das Visitor Center besuchen. Oder man kann sich selbst auf den Weg machen und den schroffen Felsen so nahe kommen, wie es nur geht.

Wir waren mit dem Wohnmobil unterwegs und haben uns den Campingplatz in Doolin als Basislager ausgesucht. Der Platz ist im Ort nur schlecht ausgeschildert, aber man kann ihn nicht verfehlen, wenn man ganz einfach den Schildern zum Hafen folgt. Direkt am Campingplatz befindet sich ein eindrucksvolles Beispiel für die Felslandschaft des Burren. Die felsigen Platten reichen hier bis ans Meer und sind mit ihren fast geometrisch angeordneten Formationen wohl einmalig auf der Welt. An lauen Sommerabenden treffen sich hier die Camper und genießen das berauschende Spektakel des Sonnenuntergangs.

Der Nagles Caravan & Camping Park ist in der Saison ziemlich gut besucht. Wer genau weiß, wann er den Burren und die Cliffs of Moher besuchen will, sollte daher seinen Stellplatz bereits im voraus reservieren. Das geschieht ganz einfach über die Websizte des Platzes und erfordert eine sofortige Bezahlung per Kreditkarte. Wenn das nicht klappt, besteht noch die Möglichkeit, das Mobil auf einem großen gebührenpflichtigen Parkplatz unten am Hafen abzustellen.

Auch für Caravaner ist der Camping-Park ein idealer Ausgangspunkt. Die Sanitäreinrichtungen sind bestens gepflegt und der Wagen steht bei jedem Wetter sicher auf einer Betonplattform. Nicht kann man nicht nur für einen Besuch der Cliffs ein paar Tage halt machen, sondern auch für ausgedehnte Wanderungen durch den Burren und einige Ausflugsfahrten entlang der rauen Atlantikküste.

Unten am Hafen fahren mehrmals täglich die Boote zu den Aran Islands. Auch die Sightseeing-Boote zur Besichtigung der Cliffs von der Seeseite her legen hier ab. Mein Tipp dazu: nehmen Sie bei sonnigem Wetter unbedingt eine der Fahrten um 18 Uhr. Erst abends werden die Felsformationen im richtigen Winkel von der Sonne angestrahlt und liefern dabei eindrucksvolle Fotomotive.

Ebenfalls am Hafen kann man in einen Shuttle-Bus einsteigen, der in kurzen Zeitabständen zwischen Doolin und dem Cliffs of Moher Visitor Center hin und her pendelt. Karten dafür gibt es an der Rezeption vom Campingplatz. Am Besten ist es, wenn man eine der ersten Fahrten gleich um acht Uhr nimmt. Um diese Zeit ist der Reisebus-Parkplatz am Visitor-Center noch leer und man muss sich nicht mit zigtausend Touristen durch das Besucherzentrum quälen. Wir haben uns im zu dieser Zeit leeren Café erst mal einen Kaffee mit Blick auf die Cliffs gegönnt und sind dann losgezogen. Das Visitor Center ist ein bemerkenswerter Bau. Es ist direkt in einen Hügel hinein gebaut und von außen nur durch seine großen Panoramafenster wahrzunehmen.

Es empfiehlt sich, zuerst dem Fußweg nach links zu folgen.
Er führt ganz nahe am Abhang entlang und bietet unzählige eindrucksvolle Fotomotive von den Cliffs. Danach steuert man am Besten den weithin sichtbaren Aussichtsturm an und folgt dem zunehmend schmaler werdenden Cliffs of Moher Walking Trail. Am Anfang wird man sicher nicht allein sein, doch irgendwann kommt er Punkt, an dem es den meisten Touristen zu abenteuerlich wird. Ab hier sind die „echten“ Wanderer weitgehend unter sich und es kehrt endlich das Gefühl ein, allein in ueiner überwältigend schönen Natur zu sein.

Zu den gut ausgerüsteteten Wanderern sollte man sich zählen, zumindest was das Schuhwerk angeht. Bei trockenem Wetter kann man den Cliff Walk zur Not auch noch in Sneakers bewältigen. Doch das wird schnell heikel, sobald mal wieder einer der typisch Irischen Regengüsse aus dem Himmel gefallen ist und den Trail in eine tückische Oberfläche aus Matsch und rutschigem Stein verwandelt.

Wir hatten zwar mit dem Wetter einigermaßen Glück. Aber in der Nacht zuvor hatte es geregnet und der Weg war streckenweise alles andere als trivial. Man bekommt schon ein mulmiges Gefühl, wenn es links steil abwärts geht und rechts nur ein wackeliger Zaun ist, auf dessen Stabilität man sich nicht wirklich verlassen kann. Ich habe einer japanische Touristin in leichten Sommer-Sandaletten dringend davon abgeraten, weiterzugehen. Damit wäre jeder Schritt nur noch Glückssache gewesen. Sie hat mich zwar nicht ganz verstanden, aber ihr natürlicher Überlebensinstinkt hat ihr dann doch rechtzeitig signalisiert, dass es besser ist, umzukehren.  Wer an den felsigen Klippen ausrutscht, hat eigentlich keine Chance mehr und macht auf seinem Weg in das tosende Meer mehrmals mit dem harten Felsen Bekanntschaft.

Halbwegs problemlos ist der Fußweg am Rand der Klippen eigentlich nur da, wo er von einem Holzgeländer gesichert wird. Das ist auch der Bereich, in dem sich die meisten Besucher aufhalten. Irgendwann ist diese Strecke aber zu Ende. Genau an der Stelle steht dann auch ein Schild, das mit recht einschüchternden Worten darauf aufmerksam macht, dass es ab hier lebensgefährlich ist. Das ist durchaus ernst gemeint, denn jedes Jahr müssen mehrere abgestürzte Touristen mit dem Hubschrauber geborgen werden.

Der Weg über den Cliffs of Moher Walking Trail vom Visitor Center zurück zum Campingplatz dauert mindestens drei Stunden. Wenn man die eine oder andere Pause einlegen will, um den grandiosen Blick zu genießen, sollte man eher vier Stunden vorsehen. Wer gerne fotografiert, wird außerdem alle paar Schritte ein neues Motiv entdecken, das unbedingt festgehalten werden will. Auch das kostet Zeit.

Wir sind früh aufgebrochen, haben den ersten Shuttle-Bus genommen und sind dann irgendwann am Nachmittag wieder im Nagles Camping & Caravan Park angekommen. Das Essen in den zahlreichen Pubs entlang der schmalen Straße zum Campingplatz ist zwar alles andere als berühmt (wie fast alles, was uns in Irland angeboten wurde). Aber nach einer mehrstündigen Wanderung ist man so hungrig, dass selbst ein Hamburger mit Essiggeschmack genießbar wird. Wir haben das Thema Cliffs of Moher an einem Tag abgehakt und haben noch am selben Abend eine Tour mit dem Ausflugsboot genommen, um nch dem atemberaubenden Blick von oben noch einen völlig anderen Eindruck von den Cliffs zu gewinnen.

Wer Irland besucht, sollte die Cliffs of Moher keinesfalls ausklammern. Und wer keinen Bock auf die Gesellschaft von Tausenden von Bustouristen hat, sollte sich einfach antizyklisch verhalten und schon da sein, während die noch im Hotel sitzen und frühstücken.