Straßburg: Wo Europa Wirklichkeit geworden ist

Schreibt man nun Straßburg oder Strasbourg? So richtig klar bin ich mir dabei nicht. Die Stadt am Oberrhein liegt im Elsass und damit in Frankreich. Doch wenn man mit Elsässern ins Gespräch kommt, spürt man schnell, dass sie sich weder richtig französisch noch deutsch fühlen. Sie sind einfach Elsässer und sprechen französisch mit den Franzosen und deutsch mit den Deutschen. Wie es sich eben ergibt.

Straßburg (ich bleib jetzt einfach mal bei der deutschen Schreibweise) ist eine jener Städte, an denen man meist achtlos vorbeifährt. Weil man ja eigentlich in den Süden will und auf dem Weg nach Italien, die Provence oder gar Spanien ist. Da heißt es zunächst einmal Strecke machen und möglichst schnell ankommen. Zeit ist schließlich Geld und ein Urlaubstag ist doppelt so wert voll wie jeder andere.

Früher habe ich auch so gedacht. Damals habe ich noch den Caravan angehängt, wenn Urlaub angesagt war. Die Kids und der Hund kamen in den Van, die Fahrräder aufs Dach und los ging‘s. Möglichst früh und möglichst flott Richtung Ziel. Schließlich wollte man „ankommen“ und keine unnötige Zeit verlieren.

Mittlerweile ist aus dem Wohnwagen ein Wohnmobil geworden, ich habe ein paar Lebensjahre mehr auf dem Buckel und meine Einstellung zum Reisen hat sich grundlegend geändert. Eine lange Anfahrt heißt heute nicht mehr, wie viele Kilometer schaffe ich pro Tag, sondern was gibt es auf dem Weg interessantes zu sehen? Mit dem Reisemobil ist man eben ein gutes Stück flexibler als mit dem Caravan und wo eine Stadt ist, da gibt es fast immer auch einen citynahen Stellplatz, auf dem man sein Mobil stehen lassen kann, während man zu Fuß die Sehenswürdigkeiten abhakt.

Straßburg ist ein ganz typisches Beispiel. Früher bin ich immer dran vorbeigefahren, denn ich hatte es ja eilig. Ich wollte schließlich nicht ins Elsass, sondern war auf dem Weg in die Provence oder die Toskana, um meine beiden liebsten Reiseziele zu nennen. Doch wie gesagt, meine Reisegewohnheiten haben sich geändert. Letztes Mal habe ich daher einen Tag Pause eingelegt, bin von der Rheintal-Autobahn rechts abgebogen und in der Grenzstadt Kehl gelandet. Wenn man morgens ohne Stress in Hamburg wegfährt, ist man gegen Abend genau in dieser Gegend und hat – eigentlich – sowieso eine Pause nötig.

Die sollte man allerdings nicht in Straßburg selbst machen, sondern am Besten in Deutschland und Kehl ist dafür geradezu ideal. Der DCC Campingpark Kehl – Straßburg ist eine gepflegte Anlage direkt am Rhein und ein Platz, auf dem man sein teures Reisemobil ganz beruhigt parken kann. Auf der französischen Seite gibt es nämlich mittlerweile keinen Campingplatz mehr und in diversen Foren kann man nachlesen, dass Straßburg alles andere als ein sicherer Ort für am Straßenrand parkende Fahrzeuge ist.

Als ich noch in Süddeutschland lebte, war ich des Öfteren in Straßburg. Damals gab es vor der Rheinbrücke noch eine Grenzkontrolle und man spürte, dass man ins Ausland fährt. Doch mittlerweile haben wir Europa und die Grenze nach Frankreich besteht mittlerweile nur noch aus einem Begrüßungsschild. Der Campingpark Kehl – Straßburg liegt an einem Park, der sich am Rhein entlang zieht. Ein paar Meter vom Park entfernt führt die neue Europabrücke über den Rhein. Das ist eine architektonisch interessante Konstruktion für Fußgänger und Radfahrer, die auf sehr eindrucksvolle Weise deutlich macht, dass es zwischen France & Allemagne heute keine Grenze mehr gibt. Mit dem Rad braucht man mittlerweile keine 30 Minuten mehr, um direkt am Straßburger Münster zu landen. Dabei rollt man ausschließlich auf Radwegen, denn Straßburg gibt sich viel Mühe, als grüne, fahrradfreundliche Stadt zu gelten.

Straßburg ist französisch und irgendwie doch nicht französisch. Die Straßennamen sind deutsch. Man hat zwar versucht, sie zu übersetzen, aber die Elsässer haben die französischen Bezeichnungen nie benutzt und so sind die Schilder an den Straßenecken eben jetzt zweisprachig. Französisch, weil das nun mal Frankreich ist. Und deutsch, weil es sowieso fast alle benutzen.

Die Küche ist elsässisch deftig und ein gutes Stück von dem entfernt, was eigentlich die französische Küche ausmacht. Hier isst man am Liebsten kleine Bratwürste mit Sauerkraut und handfeste Eintöpfe zum satt werden. Geht man in eine Boulangerie, um sich ein Baquette für den abendlichen Imbiss mitzunehmen, macht es wenig Sinn, dafür sein mühsam erlerntes Schulfranzösisch herauszukramen. Die Elsässer merken das sofort und antworten ganz selbstverständlich in Deutsch. Auch wenn es eben Baquette gibt und keine Brötchen. Aber es gibt auch Gugelhupf und der ist urelsässisch.

Das Münster ist meist von fernöstlichen Touristen und fliegenden Händlern aus Afrika umlagert. Aber der Aufstieg nach oben lohnt sich. Den machen nämlich nur wenige, denn die gefühlt tausend Stufen erfordern durchaus sportliche Ambitionen. Oben angekommen hat man jedoch einen herrlichen Blick über die Stadt und kann sich schon mal orientieren, wo es als Nächstes hingehen soll.

Das Viertel direkt ums Münster ist schon mal eine gute Idee, um französisches Flair mit deutschen Genen zu erleben. Ansonsten ist eigentlich das Gerberviertel das Herz der Stadt. Es nennt sich auch Petite France und liegt an der Ill. Hier kann man sich in den Strom der anderen Touristen einreihen und schmucke, niedliche Häuschen aus der Zeit bewundern, in der an dieser Stelle noch richtig gearbeitet und Felle gegerbt wurden. Einen schönen Blick auf das Viertel hat man von der Barrage Vauban. Unweit davon befindet sich auch das Musée d‘Art Moderne et Contemporain de Strasbourg mit seiner sehenswerten Ausstellung zeitgenössischer Kunst.

Heute findet man im alten Gerberviertel vor allem gute Restaurants, wie man sie eben nur in Frankreich findet. Dass Frankreich nicht nur für Wein steht (der Gewürztraminer aus dem Elsass ist weltberühmt) kann man in der Académie de la Biére testen, denn nahezu jedes Bier, das man in Frankreich kaufen kann, hat seinen Ursprung in den früheren deutschen Landesteilen Elsass und Lothringen.

Ich war mit einem Freund auf dem Weg in den Süden, als die Idee aufkam, einfach einen Zwischenstopp in Straßburg einzulegen, anstatt irgendwo am Autobahnrand zu übernachten. Wir hatten also nur einen Tag und den Eindruck, dass es sich gelohnt hat, nicht einfach weiter zu fahren.  

Wer nach einem Stopover in Straßburg weiter Richtung Süden will, der sollte dafür ab Straßburg die französische Autobahn nehmen. Hier fährt es nicht nur erheblich entspannter als auf der deutschen Rennpiste. Man fährt auch durch eine von Weinbergen geprägte Landschaft mit den Ballons der Vogesen im Hintergrund.

Allerdings besteht dann die Gefahr, dass es zu einem weiteren Zwischenstopp in einem der zahlreichen Dörfer der Elsässischen Weinstraße kommt. Einen besseren Weißwein als im Elsass bekommt man nämlich in ganz Frankreich nicht.